Verschmutzte Luft hat in Europa 2016 zu rund 400.000 vorzeitigen Todesfällen geführt. Fast alle Menschen in europäischen Städten sind belasteter Luft ausgesetzt, warnt die Europäische Umweltagentur in einem aktuellen Bericht. „Luftverschmutzung ist momentan die größte Umweltgefahr für die menschliche Gesundheit.“
In ihrem Air Quality Report 2019 bewertet die Europäische Behörde die Gefahr verschiedener Luftschadstoffe für 41 Länder im Jahr 2016. Dafür nutzten die Forscher die Daten von mehr als 4000 Messstationen in ganz Europa.
- Demnach starben 412.000 Menschen vorzeitig durch Feinstaub-Partikel, die kleiner sind als 2,5 Mikrometer und tief in die Atemwege eindringen können. Durch den Feinstaub gingen den Berechnungen zufolge 4,2 Millionen Lebensjahre verloren. Rund 374.000 der Todesfälle betrafen Menschen in der Europäischen Union.
- 71.000 Menschen starben vorzeitig, weil sie Stickstoffdioxid ausgesetzt waren. Das Gas bereitet vor allem Asthmatikern Probleme und führte demnach zu 707.000 verlorenen Lebensjahren.
- Wegen bodennahen Ozons starben dem Bericht zufolge 15.100 Menschen vorzeitig, der Stoff kann ebenfalls die Atemwege beeinträchtigen. Er führte demnach zu 160.000 verlorenen Lebensjahren in ganz Europa.
Da zum Teil mehrere der Schadstoffe als Todesursache zusammentreffen, können die Zahlen nicht einfach addiert werden. Für die Europäische Union kommt der Bericht auf insgesamt 400.000 Menschen, die durch Luftverschmutzung vorzeitig gestorben sind.
Einfluss der Feinstaub-Lobbyisten
Im Vergleich zu Berechnungen aus dem vergangenen Jahr sind die Zahlen leicht zurückgegangen, die Luftqualität hat sich in vielen Städten in West- und Südeuropa verbessert, darunter auch in Deutschland. Diese Entwicklung verlaufe jedoch zu langsam, kritisierte Studienautor Alberto Gonzáles Ortiz. „Wir haben bislang noch nicht die europäischen Vorgaben erreicht – von denen der Weltgesundheitsorganisation sind wir noch weit entfernt.“
Nino Künzli, Stellvertretender Direktor des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH), sieht die Situation grundsätzlich positiv: „Der EEA-Bericht zeigt klar, dass die von der Weltgesundheitsorganisation vorgeschlagenen Konzentrationen der Luftschadstoffe eingehalten werden können, wenn die Politik diese Ziele vorgibt“, sagte er dem Science Media Center.
Dies lasse sich am Beispiel der Stickoxide erkennen: „Die Jahresmittelwerte liegen nur noch an zehn Prozent aller Messstationen über dem von der WHO vorgeschlagenen und von der EU als Grenzwert vorgegebenen Wert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Ohne Betrugsskandale wäre die Situation noch besser.“
Beim Feinstaub hingegen verfehlten 69 Prozent der Messstationen den Jahresrichtwert der Weltgesundheitsorganisation von 10 Mikrogramm pro Kubikmeter. „Seit Jahren weigert sich die EU, diesen Richtwert gesetzlich zu verankern“, kritisiert Künzli. „Stattdessen hat die EU für den Feinstaub den von Lobbyisten propagierten – viel zu hohen – Jahresmittelwert von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter in der Direktive verankert – auch heute noch.“
Weniger Autos – eine „Win-Win-Situation“
Grundsätzlich verpflichtet die EU ihre Mitgliedstaaten dazu, bestimmte Schadstoff-Grenzwerte einzuhalten. Im Juni hatte der Europäische Gerichtshof die Regelungen verschärft. Demnach müssen Städte auch dann aktiv werden, wenn Grenzwerte an einem einzelnen Ort überschritten werden – und nicht nur, wenn die Durchschnittswerte verschiedener Messstationen zu hoch sind. In Deutschland wurde dem Umweltbundesamt zufolge 2018 in 57 Städten gegen den EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid verstoßen.
Um die Luftverschmutzung – vor allem durch Stickstoffdioxid – zu reduzieren, sei ein wichtiger Schritt, die Zahl der Autos in Städten zu senken, sagt Ortiz. „Wenn wir Luftverschmutzung bekämpfen, bekämpfen wir gleichzeitig auch den Klimawandel, zu viel Lärm und fördern ein gesundes Verhalten“, sagt Ortiz. „Es ist eine Win-Win-Situation.“
Neben dem Autoverkehr tragen unter anderem Kraftwerke, die Industrie allgemein und Landwirtschaft zur Luftverschmutzung bei.
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