SPIEGEL ONLINE: Frau Grams, warum sind Sie nicht beim homöopathischen Weltärztekongress in Leipzig?
Grams: Ganz ehrlich, ich würde dort wahrscheinlich nur beschimpft werden. Außerdem ist von einer so unwissenschaftlichen Veranstaltung leider kein wissenschaftlicher Diskurs zu erhoffen. Ich erlebe ja seit zwei Jahren, dass ein sachlicher Dialog mit den meisten Homöopathen nicht möglich ist.
SPIEGEL ONLINE: Das klingt vonseiten der Homöopathen aber anders. „Wir wollen über den Tellerrand blicken und gemeinsam mit der konventionellen Medizin nach Lösungen zum Wohle des Patienten suchen“, sagte Monika Kölsch, praktizierende homöopathische Ärztin und Mitorganisatorin des Kongresses zur Deutschen Presse-Agentur dpa. Und: „Wir wollen keinen Grabenkrieg.“ Wollen Sie den?
Grams: Niemand will Grabenkämpfe. Aber wenn die Homöopathen sich allen Fakten gegenüber verschließen, ist ein sachlicher Dialog leider unmöglich. Deshalb ist es auch kein Wunder, wenn beide Seiten schnell gereizt sind. Fakt ist: Wir haben keinen Anlass zu glauben, dass homöopathische Medikamente eine Wirkung haben, die über den Placebo-Effekt hinausgeht. Wenn eine Gruppe Ärzte standhaft behauptet, dass Homöopathie wirkt, muss man – zum Wohle der Patienten – widersprechen.
SPIEGEL ONLINE: Dann halten Sie vermutlich auch nichts von einer Kombination von Medizin und Homöopathie?
Grams: Das bedeutet doch nur, dass man wissenschaftliche Medizin und Humbug verbindet. Wie soll das dem Patienten nutzen?
SPIEGEL ONLINE: Frau Kölsch sagte auch, die Homöopathie „kann vieles, aber nicht alles“ – gleichzeitig geht es auf dem Kongress um die Heilung einer Knochenmarkentzündung durch Homöopathie und den Einsatz der Methode bei Epidemien. Wie passt das zusammen?
Grams: Ich kann da nur aus meinem früheren Selbstverständnis heraus antworten. Da hätte ich auch gesagt: Als Homöopath erkennt man die Grenzen. Heute bezweifle ich stark, dass Homöopathen das gelingt. Und ja, am Ende denken Homöopathen, dass die Methode, weil sie angeblich die Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert, gegen Krebs, Ebola oder eben eine Knochenmarkentzündung hilft.
SPIEGEL ONLINE: Als Sie noch als homöopathische Ärztin tätig waren, sind Sie auch auf Kongresse wie diesen gefahren. Vermissen Sie etwas?
Grams: In der Tat waren das interessante Veranstaltungen mit interessanten Menschen. Solche Kongresse sind wie Klassentreffen. Unter Homöopathen gibt es einen Schulterschluss: Alle teilen eine Meinung, das wird auf den Kongressen deutlich. Klar, mag der eine vielleicht lieber Q-Potenzen und der andere etwas anderes, aber dann sind sie eben Experten für unterschiedliche Bereiche und widersprechen sich nicht. In der Wissenschaft dagegen wird einem ständig widersprochen, dauernd wird etwas infrage gestellt. Da geht es viel rauer zu. Aber das gehört dazu, wenn man sich nicht gemeinsam Scheuklappen anlegt, sondern wirklich einen Diskurs führt.
Spiegel TV Magazin: Goldgrube Homöopathie
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