Verhütung nur mit Gestagen – und ohne Rezept?

In Großbritannien dürfen seit Juli vergangenen Jahres in Apotheken Gestagen-Monopräparate ohne Rezept abgegeben werden. Der Hersteller einer solchen Minipille blickt auf neun Monate Anwendungsbeobachtung zurück und meint: Gestagene ohne Rezept – das wäre auch etwas für Deutschland. Eine gute Idee?

Frauen, die für ihre kombinierten oralen Kontrazeptiva eine Wiederholungsverschreibung brauchen, können sich in Großbritannien seit letztem Jahr direkt an eine öffentliche Apotheke wenden – allerdings im Rahmen eines Pilotprojekts. Bereits im Juli 2021 waren aber die Handelspräparate Lovima- und Hana-Filmtabletten mit jeweils 75 Mikrogramm Desogestrel als erste hormonelle Kontrazeptiva in Großbritannien aus der Rezeptpflicht entlassen worden.

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In einer Pressemitteilung blickt nun das Unternehmen „HRA Pharma“, das hinter der Pille „Hana“ steht, auf „neun Monate rezeptfreie Minipille“ in Großbritannien zurück: Die Einführung sei erfolgreich verlaufen, und könne als Präzedenzfall für andere Staaten dienen, heißt es: „Desogestrel weist bei einem guten Sicherheitsprofil, im Vergleich zu östrogenhaltigen Kontrazeptiva, nur wenige Kontraindikationen auf. Und es bietet einen vergleichbaren Schutz zu Kombinationspräparaten. Darüber hinaus ist vor Beginn der Desogestrel-Einnahme keine gynäkologische Untersuchung erforderlich“, wird Larissa Kremer, Head of Medical bei HRA Pharma zitiert. Deshalb sehe Kremer keinen Grund, warum nicht auch in Deutschland und anderen Ländern über eine Entlassung von Desogestrel aus der Verschreibungspflicht nachgedacht werden sollte.

Rezeptfreiheit für reproduktive Selbstbestimmung?

„Dass die Minipille in UK ohne Rezept in Apotheken erhältlich ist, halte ich für einen ganz wichtigen Schritt, um Frauen in ihrer reproduktiven Selbstbestimmung zu unterstützen“, wird wiederum Dr. Michelle Cooper, britische Fachärztin für Gynäkologie und sexuelle Gesundheit, zitiert. Die Entlassung aus der Verschreibungspflicht sei in Großbritannien nicht nur von der Apothekerschaft begrüßt worden – auch das „Royal College of Obstetricians and Gynaecologists“ habe diesen wichtigen Schritt unterstützt.

Doch einmal ganz abgesehen davon, dass die Situation um den Zugang zur medizinischen Versorgung und somit die Erkenntnisse nicht 1:1 auf Deutschland übertragbar sind, wie sinnvoll ist die „Verhütung nur mit Gestagen“? 

Wie Gestagene wirken

Das nur beim weiblichen Geschlecht aktive Progesteron

  • senkt die Zahl der Estrogen-Rezeptoren,
  • hemmt die Estrogen-bedingte Proliferation der Uterusschleimhaut und stimuliert die Entwicklung des sekretorischen Endometriums,
  • erhöht die Viskosität des Zervixschleims,
  • unterdrückt die LH-Ausschüttung der Hypophyse und damit die Ovulation,
  • fördert die Drüsenbildung in den Brüsten,
  • erhöht die Ruhetemperatur (um ca. 0,5 °C),
  • ist als sogenanntes Schwangerschaftshormon für die Erhaltung einer Schwangerschaft unentbehrlich (z. B. Hemmung der Uteruskontraktilität und Menstruation),
  • verstärkt die Wirkung der Estrogene auf das Skelettsystem. 

(Quelle: DAZ 23/2021)

Bei der oralen Gestagen-only-Kontrazeption muss die Apotheke unter Umständen in Abhängigkeit vom Präparat daran erinnern, dass die tägliche Einnahmezeit exakt einzuhalten ist. Denn die kontrazeptive Wirkung der Gestagene beruht vor allem auf der Viskositätserhöhung des Zervixschleims. Nur bei circa 30 Prozent der Frauen werde auch die Ovulation gehemmt, erklärte Univ. Prof. Dr. Doris Maria Gruber in ihrem DAZ-Beitrag 2021. Zudem fällt bei der vaginalen Ultraschallkontrolle bei oraler Gestagen-only-Verhütung das vermehrte Auftreten von Ovarialzysten auf. In den meisten Fällen seien sie nach Absetzen aber reversibel. 

Zu Unsicherheiten führt laut Gruber vor allem, dass die Amenorrhö-Rate im Laufe der Anwendung zu- und die Regelmäßigkeit der Blutung abnimmt. Nach Beendigung der Verhütung kann es eine Weile dauern, bis sich der normale Zyklus wieder einstellt. Außerdem ist zu bedenken, „dass bei Gestagen-only-Ver­hütung ein ausreichender endogener Estradiol-Spiegel vorhanden sein sollte (idealerweise zwischen 30 bis 50 pg/ml), damit es nicht zu einem beschleunigten Knochenabbau führt“. 

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