„Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir für mindestens ein Jahr unser Verhalten ändern müssen“, sagt Alexander Kekulé. Der Virologe fordert gleichzeitig, dass wir Deutschland aus dem künstlichen Koma zurück ins Leben holen müssen. Wie, das erklärt er in seinem Säulenmodell.
Es ist die Frage, die viele Menschen derzeit bewegt: Wie kommen wir aus dem aktuellen Zustand zurück in ein mehr oder weniger normales Leben? Dieser hat sich auch Virologe Alexander Kekulé im MDR-Podcast gewidmet.
Der Wissenschaftler ist sich zwar einerseits sicher, dass wir weiter unser Verhalten ändern müssen. Aber gleichzeitig spricht er sich dafür aus, dass das möglichst wenig wirtschaftliche, soziale und psychologische Kollateralschäden mit sich bringen soll.
Aus dem „künstlichen Koma“ könnten wir Deutschland mit einem 3-Säulenmodell holen, erklärt Kekulé:
1. Smart Distancing
Kontaktverbote und Ausgangsbeschränkungen könnten gelockert werden, wenn die Menschen intelligent Abstand hielten. Die einfachste Maßnahme dafür sei, dass „Menschen, wenn sie sich anderen weiter als zwei Meter nähern, eine einfache OP-Maske tragen “. Der Mund-Nasen-Schutz schützt andere. „Und es gibt neuere Daten, dass man damit auch selbst geschützt wird, bis zu einem gewissen Grad“, sagt der Virologe. Aus Hongkong wüssten sie inzwischen, dass das Tragen der einfachen Masken, wie es dort alle tun, doch einen Effekt habe, das Virus unter Kontrolle zu halten.
Wenn es nach Kekulé geht, sollte die Maske zum „Standard-Accessoire werden für den Fall, dass man Menschen draußen trifft“. In seinem Gastbeitrag auf „Zeit Online“ ergänzt er: „Die Bundesregierung sollte sich mit aller Kraft bemühen, OP-Masken in ausreichender Zahl zu beschaffen. Vorläufig kann sich jeder auch mit einem einfachen Stofftuch helfen (das täglich gewaschen werden sollte).“
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Zusätzlich sollten weiter die Maßnahmen gelten: auf Händeschütteln verzichten, zwei Meter Abstand halten, Hygienemaßnahmen und auf Großveranstaltungen wie Fußballspiele eine Weile verzichten – mindestens bis Ende des Jahres.
Der Virologe gibt sich optimistisch: „Wenn wir parallel die Risikogruppen schützen, könnten wir das soziale Leben wieder hochfahren. Das ist meines Erachtens ganz wichtig, damit wir Herr der Lage werden.“
2. Individuelle Vigilanz
Damit meint Alexander Kekulé die persönliche Aufmerksamkeit. Die Menschen müssten selbst in die Lage versetzt werden, so gut wie möglich dafür zu sorgen, dass sie merken, dass sie krank sind. „Wir müssen für jeden die Möglichkeit schaffen, sich jederzeit und anonym testen zu lassen“, sagt der Virologe. Ein Schnelltest müsse so einfach wie ein Schwangerschaftstest funktionieren.
Auf diese Weise könnten wir eine westliche Antwort auf die totalitären Methoden in Asien geben. Mit Eigenverantwortung und Vertrauen ließe sich eine sanfte Methode finden, um die Krankheit unter Kontrolle zu halten, „ohne alle bis zum Sanktnimmerleinstag einzusperren“.
Entgegen der Pläne des Gesundheitsministers Jens Spahn brauche es keine Mobilfunkdaten.
„Ich bin total gegen diese Handyüberwachung. Das ist ein Einschnitt in die Grundrechte, der in diesem Fall nicht gerechtfertigt ist“, erklärt Kekulé. Zudem gebe es epidemiologisch keinen Grund das zu machen. Es brauche keine Geodaten von den Menschen, wenn sie selbst vernünftig sind. Klar, ein paar Unverbesserliche gebe es immer. „Die muss man hinnehmen“, sagt der Experte. „Das wird nicht dazu führen, dass die Krankheit außer Kontrolle gerät.“ Mathematisch betrachtet, hat Sars-CoV-2 einen Reproduktionsfaktor von drei. Statistisch gesehen steckt ein Kranker drei andere mit dem neuartigen Coronavirus an. Wenn wir also zwei von den dreien verhindern würden, erläutert Kekulé, steckt einer nur einen an und die Krankheit nimmt nicht mehr zu: „Das heißt, wir müssen nur zwei Drittel der Infektionen verhindern, um die Epidemie zu bekämpfen – und nicht 100 Prozent.“
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Dann könnten wir relativ schnell die Schulen und Kindertageseinrichtungen wieder aufmachen. Dafür schlägt der Virologe vor, dass Kinder von Infektionsgefährdeten (etwa Ärzte, Krankenschwestern) vor dem ersten Tag getestet werden.
In seinem Gastbeitrag ergänzt er einen weiteren wichtigen Punkt zur persönlichen Krankheitsaufmerksamkeit: „Die weitverbreitete Unsitte, hustende und fiebernde Kinder in die Kita zu bringen, um selbst arbeiten zu können oder Freizeit zu haben, ist seit Covid-19 kein Kavaliersdelikt mehr.“
3. Deeskalierende Grenzkontrollen
Wenn die Krankheit durch eine Grundimmunisierung der Bevölkerung in Deutschland und gesenkte Fallzahlen unter Kontrolle ist, sei es wichtig die Grenzen zu überwachen. „Wir sollten konsequent dafür sorgen, dass keine weiteren Infektionen eingeschleppt werden“, sagt Alexander Kekulé. Darum sollten üblichen Einreisekontrollen wie Fiebermessung, individuelle Befragung und Aufklärung, Angabe des Aufenthaltsortes aufrechterhalten werden. Gelockert werden könnten Grenzkontrollen, wenn auch Antigen-Schnelltests zur Verfügung stünden.
All diese Maßnahmen könnten Deutschland aus dem „Wachkoma“ holen und das sei jetzt sehr wichtig. Gemeinsam könnten die Menschen dafür sorgen, dass die Ausbreitung des Virus langsam abläuft und die Gesundheitssysteme nicht überfordert.
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