In einer Spätschicht war ich verantwortlich für zwei beatmete Patienten mit schweren Grunderkrankungen. Zwei Beatmete auf der Intensivstation, das ist eigentlich das Maximum für eine Pflegekraft. Mehr schafft man kaum. Da wurde eine ältere Frau gebracht, die sich den Schenkelhals gebrochen hatte und operiert worden war. Nur über Nacht sollte sie bleiben. Nachdem ich sie aufgenommen hatte, was Zeit braucht, sah ich bei einem meiner anderen Patienten, dass aus dem Drainageschlauch Stuhl austrat. Ein Notfall. Er war am Dickdarm operiert worden, die OP-Naht war gerissen. Er hatte eine Bauchfellentzündung, entwickelte eine Blutvergiftung. Ich holte den Stationsarzt. Notoperation, entschied der, verständigte den Chirurgen. Ich musste den Patienten vorbereiten und transportabel machen. Irgendwann klingelte die Dame mit dem Schenkelhalsbruch, ich rannte zu ihr, sie musste auf die Toilette. "Ich komme gleich", sagte ich und hetzte weiter.
stern-Aktion – für eine Pflege in Würde!
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Bald brach der Kreislauf des Patienten zusammen. Während ich ein stabilisierendes Medikament aufzog, hörte ich die Frau nochmal rufen, versprach wieder, dass ich gleich käme. Und vergaß es. Irgendwann später fiel sie mir siedend heiß ein. Ich rannte zu ihr, fand sie unendlich beschämt vor. Sie hatte ins Bett gemacht. An diesem Tag ist niemand gestorben oder ernsthaft zu Schaden gekommen, es hat einfach nur eine Frau ins Bett gemacht. Aber das war genug, dass ich mich schuldig fühlte. "Oh Mann, was bist du nur für eine Krankenschwester." Wir tun wirklich alles, um unseren Patienten ihre Würde zu bewahren. Aber oft können wir diesem Anspruch nicht genügen. Einfach, weil wir zu wenige sind.
Ich will eine Pflege in Würde. Das bedeutet für mich: die vollumfängliche, individuelle Versorgung meiner Patienten. Ohne Zeitdruck. Sodass ich abends einfach nachhause gehen kann und weiß, ich habe meine Patienten nach bestem Wissen und Gewissen versorgt.
Über die Aktion:
Es geht um Ihre Kinder, Eltern und Großeltern, um unser aller Zukunft. Wir brauchen gute Pflege. Früher oder später. Deutschland altert schnell, und immer mehr Menschen sind im Alltag auf professionelle Pflege angewiesen. Doch in den Krankenhäusern, Heimen und bei den ambulanten Diensten herrscht ein enormer Pflegenotstand. Überall fehlen Pflegekräfte, weil die Arbeitsbedingungen schwer zumutbar sind und das Gehalt zu niedrig. Wir alle sind davon akut bedroht: Pflegekräftemangel führt zu schwereren Krankheitsverläufen, mehr Komplikationen und Todesfällen. Unsere Politiker:innen finden seit zwei Jahrzehnten keine wirksame Gegenmaßnahme. Es braucht einen ganz großen Wurf, um den Pflegekollaps noch aufzuhalten. Unser Umgang mit dem Thema Pflege entscheidet darüber, wie menschlich unsere Gesellschaft im 21. Jahrhundert bleibt.
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