Denk ich an unsre Apotheken in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht. Diese Woche hat’s uns wieder mal gezeigt, wie erbärmlich unsere Lage ist. Statt Rx-Versandverbot will uns die Politik ein Rx-Boni-Verbot ins Sozialrecht schreiben, das uns ins Desaster manövriert, das nicht rechtssicher ist und das die SPD sowieso nicht mitträgt. Außerdem soll es statt des angekündigten Honorar-Plus von 375 Mio. Euro nur noch magere 150 Mio. Euro geben. Für Dienstleistungen, über die sich die BAK noch nicht im Klaren ist. Und dann kommt noch der AOK-Hermann um die Ecke, denkt über die Filialapotheke light nach und will das Mehrbesitzverbot lockern. Kann das Apotheker-Leben noch schöner werden? Klar, mit dem E-Rezept, das jeder Kunde mit seinem Smartphone nach Holland schicken kann.
11. März 2019
Der Donnerschlag am Donnerstag: Die EU-Kommission hat Deutschland unmissverständlich eine zweimonatige Frist gesetzt, die Rx-Preisbindung für EU-Versender komplett zu streichen – sonst gibt’s eine Klage vor dem EuGH. Vier Tage später hat sich dann auch die ABDA berappelt (sorry, der Frauenfeiertag kam da einfach so dazwischen) und sich aufgerafft, darauf zu antworten. Tja, die Haltung der EU hält die ABDA für „bedauerlich“, erklärte ABDA-Präsident Schmidt, sie sei aber nicht neu. Er, Schmidt, halte es nicht für einen Zufall, dass sich die Kommission jetzt zu Wort melde. Mein liebes Tagebuch, wenn die Erkenntnis auch mit Verspätung kam, aber da stimmen wir dem ABDA-Präsidenten zu: Zufall sieht anders aus. Die EU-Kommission hat ihre Klageandrohung genau jetzt gesetzt, wo die Gespräche über eine Reform der Arzneimittelversorgung laufen. Schmidt weiter: Die EU-Kommission verkenne, dass das Gesundheitswesen und damit auch die Arzneimittelversorgung nicht allein nach Marktgesichtspunkten organisiert werden könne. Und das Fazit des ABDA-Präsidenten: Wir brauchen eine schnelle und belastbare Lösung für die Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit. So isses. Bleibt nur die klitzekleine Frage offen, Herr Präsident: Wie kriegt man das schnell und rechtssicher hin?
Vom ewigen Hin und Her um Rx-Versandverbot und Gleichpreisigkeit haben drei junge Apothekers aus Berlin die Nase voll. Maria Zoschke, Maximilian Wilke und Joachim Schrot haben nun offiziell einen Protestmarsch bei den Behörden beantragt. Sie wollen am Sonntag (24. März) vom S-Bahnhof Friedrichstraße zum Brandenburger Tor gehen. Jetzt suchen sie Mitläufer, die sich dem Protestzug (Hashtag #rettedeineapotheke) anschließen. Denn: Die neueste Entwicklung macht ihnen Angst, „dass unsere Zukunft keine Zukunft mehr hat“. Sie fürchten, dass die Rx-Preisbindung kippt und die deutschen Apotheken den internationalen Versandkonzernen ausgeliefert wären. Unser Gesundheitswesen müsse in deutscher Hand bleiben und dürfe nicht durch EU-Regularien unterwandert werden. Spahn solle der EU die Stirn bieten. Mein liebes Tagebuch, das Thema ist auf alle Fälle einen Protestmarsch wert. Fragt sich nur: Wie viele Apothekers sehen das so und schließen sich dem Marsch an?
Wumm, die Lösung des Versandhandels-Konflikts: Statt eines Rx-Versandverbots soll es ein komplettes Rx-Boni-Verbot im SGB V geben? Und für uns Apothekers soll die angekündigte Honoraraufstockung geringer ausfallen. Auf diesen Kompromiss sollen sich die Fraktionsvertreter der Union mit dem Bundesgesundheitsministerium verständigt haben. Mein liebes Tagebuch, die EU-Kommission droht mit Klage und schon bewegt sich die Union – und rudert auch noch beim Honorarangebot für die Apothekers zurück. Eigentlich wurde uns Apothekers für die Nichtverfolgung des Rx-Versandverbots ein Honorarplus von 375 Mio. Euro in Aussicht gestellt. Laut Unionsidee sollen jetzt nur noch magere 150 Mio. Euro davon übrig bleiben. War ja klar, mein liebes Tagebuch, dass man uns das 375 Mio. Euro-Paket nur als Köder vor die Nase gehalten hat. Außerdem kann man die 150 Mio. Euro auch dem Koalitionspartner und den Krankenkassen leichter schmackhaft machen. Ist halt einfach alles geschmeidiger. Weniger Stress – und die doofen Apothekers schlucken das, wenn man ihnen dann sagt, dass sie Gleichpreisigkeit bekommen. Stopp, mein liebes Tagebuch, wäre mit einem Rx-Boni-Verbot im SGB V die Gleichpreisigkeit dann wirklich in Butter? Wäre dies dann rechtssicher? Wer sagt denn, dass sich EU-Versender an unser SGB V halten müssen? Die Forderung der EU, die Preisbindung für Versender zu kippen, wäre doch damit gerade nicht erfüllt. Vielleicht müsste die Bundesregierung sogar ein Notifizierungsverfahren in der EU auf den Weg bringen, um das Boni-Verbot in der EU prüfen zu lassen – Ausgang ungewiss. Nee, nee, diese Lösung stinkt zum EU-Himmel. Kein Rx-Versandverbot, eine mehr als wackelige Gleichpreisigkeit und weniger Honorarplus für uns – das ist der gemeinste Deal, den wir seit langem angeboten bekamen. Da helfen auch Mini-Zuckerchen wie die in Aussicht gestellte Definition des Botendienstes im Gesetz (Wortlaut noch unbekannt), die freie Apothekenwahl bei Einführung des E-Rezepts und ein Makelverbot von E-Rezepten nicht wirklich weiter. Wir wurden schlicht und einfach mal wieder für dumm verkauft.
Die EU-Kommission nimmt Deutschland in die Mangel. Nach der Klageandrohung für die Rx-Preisbindung hat die Kommission der Bundesrepublik in einem weiteren Vertragsverletzungsgerfahren eine Frist gesetzt: bei der Richtlinie zur gegenseitigen Berufsanerkennung: Es geht dabei um die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Ziel der Kommission: Fachkräfte müssen im gesamten EU-Binnenmarkt ihren Beruf ausüben oder Dienstleistungen erbringen können – dazu gehören auch die Apotheker. Deutschland hat darauf bereits reagiert, die Qualifikationen für den Apothekerberuf neu gefasst und definiert, wann sich die Ausbildung zum Apotheker in einem Drittstaat deutlich unterscheidet. Aber das alles reicht der EU nicht. Mein liebes Tagebuch, der EU-Kommission kann man es nicht recht machen. Nun soll Deutschland weitere Regelungen treffen, die die Anerkennung ausländischer Qualifikationen hierzulande erleichtern. Was das im Einzelnen bedeutet, ist noch unklar. Führt das dann irgendwann zu ausländischen Fachkräften mit mangelhafter Ausbildung, schlechten Deutschkenntnissen? Und wieder hat Deutschland zwei Monate Zeit, die Mängel zu beheben, sonst gibt’s Klage. Kleiner Trost am Rande: Deutschland ist hier nicht alleine, insgesamt müssen 24 Länder nachbessern.
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