Ab Montag gibt es keine kostenlosen Bürgertests mehr – von wenigen Ausnahmen abgesehen. So will die Politik den Druck auf Ungeimpfte erhöhen, sich impfen zu lassen. Doch nun meldet sich die Ärztegewerkschaft Marburger Bund zu Wort und warnt vor weiteren Infektionen. "Kostenpflichtige Coronatests führen dazu, dass sich künftig weniger Menschen mit Symptomen testen lassen werden", sagte die Gewerkschaftsvorsitzende, Susanne Johna, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Sonntag. "Das ist ein Einfallstor für eine weitere Übertragung des Virus."
Auch der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen kritisiert das Aus der kostenlosen Corona-Schnelltests. Stattdessen schlägt er eine Verknüpfung mit der Impfkampagne vor. "Wer eine Impfberatung annimmt, sollte im Gegenzug einen Gratistest bekommen", sagte der Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur. Das Ende der kostenlosen "Bürgertests" komme zu früh. "Ohne Gratistests werden wir weniger Testergebnisse bekommen, mehr Infektionen werden unerkannt bleiben", warnte Dahmen. "Wir laufen in eine Schattenpandemie." Er sprach sich dafür aus, der Kehrtwende Österreichs zu folgen und die Gratistest noch einmal zu verlängern.
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Spahn argumentiert mit Fairness
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hingegen verteidigte die Maßnahme. "Kostenlose Bürgertests abzuschaffen, gebietet die Fairness vor dem Steuerzahler", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Sonntag. Jeder, für den es empfohlen sei und der wolle, habe sich mittlerweile impfen lassen können. Weiterhin kostenlos testen lassen können sich Menschen auch ab Montag, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen und dies nachweisen können oder für die noch kein Impfstoff zur Verfügung steht.
Tests in Pflegeheimen, Krankenhäusern, Schulen oder auf der Arbeit werde es weiterhin kostenlos geben, so der Minister. "Das ist wichtig, um gut durch Herbst und Winter zu kommen." Jeder und jede könne sich weiterhin kostenlos impfen lassen, um sich und andere zu schützen, fügte Spahn hinzu.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert jetzt zudem Sonderregelungen für Alten- und Pflegeheime. Bund und Länder müssten Besuchern dort gebührenfreie Testmöglichkeiten bieten, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Denn viele der bundesweit rund 12 000 stationären Einrichtungen verlangten auch von vollständig geimpften Besuchern einen aktuellen und zertifizierten negativen Schnelltest.
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„Chaos darf sich nicht wiederholen“
Wenn viele der rund 20.000 Testzentren in Deutschland ihre Arbeit einstellten, sei ein anerkannter Negativ-Nachweis besonders in ländlichen Gebieten schwer zu bekommen, sagte Brysch. "Manchmal zwanzig Kilometer Anfahrtsweg sind für Angehörige unzumutbar", ergänzte er. "Das Chaos aus dem letzten Herbst darf sich nicht wiederholen." Damals sei Besuchern der Zutritt zu Alten- und Pflegeheimen untersagt worden, weil sie kein Ergebnis eines Schnelltests vorweisen konnten.
Die Einrichtungen müssten per Verordnung verpflichtet werden, Schnelltests vor Ort anzubieten, forderte Brysch. Die Kosten sollten ihnen von den Krankenkassen oder dem Gesetzgeber zeitnah erstattet werden. Es müsse sichergestellt sein, dass die bundesweit rund 900.000 Pflegeheimbewohner ungehindert besucht werden könnten.
Impfquote verbessern
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach rechnet damit, dass die Zahl der Impfungen durch das Ende der kostenlosen Bürgertests steigen wird: "Kostenpflichtige Tests werden dazu führen, dass sich sehr viele noch impfen lassen, weil sie eine regelmäßige Testung vermeiden wollen", sagte Lauterbach den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Die Vorsitzende des Marburger Bunds, Johna, kritisierte RND zufolge jedoch, dass gar nicht klar sei, wie viele Menschen noch nicht geimpft sind. Das Robert-Koch-Institut hatte am Donnerstag gemeldet, dass anhand von Umfragen zur Impfbereitschaft und Meldedaten doch von einer Impfquote von 80 Prozent doppelt geimpfter Erwachsenen ausgegangen werden könne und von bis zu 84 Prozent mindestens einmal Geimpften. Das wären fünf Prozentpunkte mehr als im Digitalen Impfquoten-Monitoring erfasst sind.
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