Frostbeulen und Juckreiz: Dermatologen zeigen, wie sich Covid-19 in die Haut frisst

Die Haut juckt, es bilden sich Bläschen, Zehen schwellen an: Bestimmte Hautveränderungen können auf eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus hinweisen. Spanische Dermatologen haben diese nun beschrieben und erklären, wie sie mit der Schwere einer Covid-19-Erkrankung zusammenhängen.

Die Krankheit Covid-19 hat viele Gesichter. Erst nach und nach lernen die Menschen sie kennen. Aktuell zeigt sich: Auch die Haut reagiert bei einigen Patienten auf die Infektion mit dem neuartigen Coronavirus.

Darum untersuchten die Dermatologinnen Cristina Galván Casas vom Hospital Universitario de Móstoles in Madrid und Alba Català vom Hospital Plató in Barcelona nun mit Kollegen unerklärliche Hautveränderungen. Die 375 Patienten aus ganz Spanien hatten eine wahrscheinliche oder bestätigte Sars-CoV-2-Infektion hinter sich (BJD 2020; online 29. April).

Die Analyse von Fotos und ärztlichen Befunden führte die Hautärzte zu fünf klinischen Mustern von Hauterkrankungen, die teilweise schon in Fallberichten von Medizinern in anderen Ländern beschrieben wurden.

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1. Pseudo-Frostbeulen

Schwellungen, zum Teil mit Pusteln und Bläschen, zeigten sich rötlich bis violett an Händen und Füßen von 19 Prozent der Patienten (akrale erythematöse Schwellungen). Da die Hautveränderungen optisch Frostbeulen gleichen, bezeichnen Mediziner sie als „Pseudo-Frostbeulen“ („Pseudo-Chilblain“). Ähnliche Symptome hatten Dermatologen aus anderen Ländern ebenfalls gemeldet. US-Amerikanische Dermatologen sprechen sich bereits dafür aus, den sogenannten „Covid-Zeh“ in die Liste der Covid-19-Symptome aufzunehmen. Italienische Ärzte nannten das Phänomen in einem Fallbericht gar eine „Epidemie“ von Hautläsionen der Füße von Kindern und jungen Erwachsenen.

Denn die Pseudo-Frostbeulen scheinen tendenziell junge Patienten zu betreffen, die sonst wenig Symptome und einen milden Verlauf haben. Ein Drittel der Betroffenen in der spanischen Untersuchung empfand die Hautveränderungen als schmerzhaft oder juckend. Zudem traten die Hautreaktionen relativ spät im Krankheitsverlauf auf.

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  • In Deutschland haben Uwe Kirschner vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen und seine Kollegen bisher keine Steigerung von ungewöhnlichen Hautveränderungen, die auf eine Virusausbreitung schließen lassen, beobachtet. Das hänge aber sicherlich damit zusammen, dass viele Patienten aktuell eher zurückhaltend sind mit dem Besuch von Arztpraxen, um sich vor einer möglichen Corona-Ansteckung zu schützen.

    Einen Zusammenhang der Pseudo-Frostbeulen mit einer Covid-19-Erkrankung hält der Dermatologe durchaus für möglich. „Die vermuteten Pathomechanismen würden passen und es kann durchaus sein, dass so ein relativ seltenes Phänomen gehäuft auftritt bei einem neuen Erreger“, erklärt Kirschner. Allerdings sei es im Augenblick noch spekulativ, wie häufig solche Hautveränderungen bei Covid-19 Patienten auftreten.

    Behandeln ließen sich schmerzhafte Frostbeulen jedenfalls in der Regel mit steroidhaltigen Cremes und Salben. Doch auch ohne Behandlung heilen sie nach zwölf bis 20 Tagen ab. Academia Española de Dermatología Sars-CoV-2 könnte Pseudy-Frostbeulen auslösen.

    2. Bläschenartige Ausbrüche

    Weitere bläschenartige Ausbrüche (vesikuläre Eruptionen) zeigten sich bei neun Prozent der Untersuchten in Spanien. Betroffen von den oft juckenden Hautveränderungen waren Patienten mittleren Alters. Zudem traten sie vor allem im Anfangsstadium der Covid-19-Erkrankung auf – bei 15 Prozent der Patienten bereits vor anderen Symptomen. Die kleinen Bläschen, Blut gefüllt, ähnlich wie Windpocken, vergrößerten sich oder breiteten sich aus. Sie fanden sich überwiegend am Rumpf, aber auch an den Gliedmaßen. Insgesamt war dieses Symptom mit mittelschweren Krankheitsverläufen assoziiert.

    Alle folgenden Hautveränderungen beobachteten die spanischen Dermatologen parallel zu anderen Covid-19-Symptomen wie Husten oder Fieber. Academia Española de Dermatología Forscher vermuten, dass das Coronavirus bläschenartige Ausbrüche hervorrufen kann.  

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    3. Quaddeln

    Sogenannte urtikarielle Läsionen fanden sich bei 19 Prozent der Patienten. Meistens hatten die Betroffenen am Rumpf, in einigen Fällen auf der Handinnenseite, damit zu kämpfen – vorwiegend mit Juckreiz. Academia Española de Dermatología Die Wissenschaftler bemerkten außerdem urtikarielle Läsionen.

    Diese Hautschädigungen zeigten einige Parallelen zum nächsten Muster, das die spanischen Dermatologen beobachteten:

    4. Schuppungen und Rötungen

    Die makulopapulären Eruptionen charakterisieren unterschiedlich ausgeprägte Schuppungen der Haut. Punktförmige oder großflächige Rötungen wurden ebenfalls beobachtet.

    Gemeinsam ist den Symptomen unter 3 und 4, dass sich die juckenden Stellen weniger lang zeigten, als etwa die Pseudo-Frostbeulen. Außerdem hingen sie mit einem schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung zusammen.

    Gleichzeitig geben die Studienautoren zu bedenken, dass diese Coronapatienten mehr Medikamente bekommen hätten als diejenigen mit einem milden Verlauf. Darum seien die Hautreaktionen nicht eindeutig von Nebenwirkungen darauf zu differenzieren. Academia Española de Dermatología Auch juckende Schuppungen und Rötungen beobachteten die Forscher im Zusammenhang mit Covid-19.

    5. Nekrose

    Einem sehr schweren Verlauf (Mortalitätsrate in dieser Gruppe: zehn Prozent) ordneten die Dermatologen die Nekrose (auch Livedo) zu. Sechs Prozent der Patienten litten an unterschiedlich schweren Hautschäden durch mangelnde Blutversorgung – am Rumpf, aber auch Fingern und Zehen, sowie um Nase, Kinn und Ohr. Diese Hautveränderungen betrafen meist ältere Covid-19-Patienten.

    Ob die beschriebenen Hautveränderungen tatsächlich von Sars-CoV-2 ausgelöst werden oder auf eine Ko-Infektion zurückgehen, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Dennoch sehen die Dermatologen um Galván Casas gerade die Pseudo-Frostbeulen sowie die bläschenartigen Ausbrüche als hilfreichen Hinweis auf eine Covid-19-Erkrankung. Academia Española de Dermatología Forscher vermuten, dass das Coronavirus zu Nekrosen (Livedo) führen kann.

    Wann sollten Betroffene zum Arzt gehen?

    „Immer, wenn zu solchen Hautveränderungen schwere Begleiterscheinungen, wie Fieber, allgemeine körperliche Schwäche etc, auftreten“, mahnt Kirschner. So könne zum Beispiel auch eine Meningokokken-Sepsis eine ähnliche Symptomatik auslösen. Dann sollte eine Vorstellung im Krankenhaus erfolgen, weil dies schwere Notfälle sind.

    Hautveränderungen durch das Kawasaki-Syndrom

    Auf die Haut auswirken kann sich auch das Kawasaki-Syndrom. Aus den USA berichtete die „New York Times“ über Kinder, die neben anderen Symptomen unter einem Hautausschlag litten. Laut Bericht wurde bei den meisten Betroffenen das Coronavirus oder zumindest Corona-Antikörper nachgewiesen. Auch Ärzte aus Großbritannien warnten zuletzt vor teilweise schweren Verläufen bei Kindern im Zusammenhang mit Covid-19 und einer Überreaktion des körpereigenen Abwehrsystems (Autoimmunreaktion).

    Beim Kawasaki-Syndrom handelt es sich um eine sehr selten auftretende Entzündung der kleinen und mittelgroßen Blutgefäße. Da diese alle Organe im Körper versorgen, können grundsätzlich alle Organe erkranken. Haut, Schleimhäute und Lymphknoten sind allerdings besonders gefährdet.

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    Wie sehen die Hautveränderungen typischerweise aus? 

    „Das häufigste und auch sehr eindrucksvolle Symptom sind immer die geschwollenen, tiefroten Lippen sowie die Erdbeeren- oder Lackzunge“, erläutert Uwe Kirschner. Dazu kommen Lymphknotenschwellungen, Entzündung der Bindehaut im Auge, Hautausschläge, die sehr vielgestaltig sein können und durchaus auch an Masern oder Scharlach erinnern können, sowie eine Purpura Schoenlein-Hennoch (das sind stecknadelkopfgroße multiple Einblutungen, typischerweise an herabhängenden Körperpartien). Weitere Symptome sind Schwellungen der Hände und Füße, mit typischen Abschuppungen, wenn diese abschwellen sowie Schwellung der Halslymphknoten. 

    Auch zum Hyperinflammationssyndrom gehören Hautsymptome

    Inzwischen unterscheiden Kinderärzte jedoch das typische Kawasaki-Syndrom vom Entzündungssyndrom im Zusammenhang mit Covid-19. Dazu gibt es eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK).

    Darin stellen die Mediziner noch einmal klar, dass solche Hyperinflammationssyndrome, überschießende Entzündungsreaktionen, insgesamt selten sind und „bei Kindern aber bereits vor der Covid-19-Pandemie gut bekannt“. Unterschiedliche Erkrankungen, vor allem Infektionen mit Viren und Bakterien könnten solche schweren Entzündungsreaktionen (Zytokinstürme) auslösen. Für Covid-19 wurden als Symptome Zeichen für Gefäßentzündungen an Fingern und Zehen beschrieben. „In der Regel lässt sich diese überschießende Entzündung sehr gut mit Kortison oder anderen Immunsuppressiva und Immunglobulinen behandeln“, schreiben die Experten.

    Kirschner weißt noch darauf hin, dass Patienten mit Kawasaki- oder Hyperinflammationssysdrom in der Regel ohnehin stationär betreut würden. Fieber und die entzündlichen Prozesse stünden im Vordergrund der Behandlung. Der Hautarzt ergänzt: „Außerdem muss immer auch abgeklärt werden, dass Herzkranzgefäße, Lunge und andere innere Organe nicht betroffen sind bzw. nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Aufgrund der genannten Behandlung, verschwinden dann auch die Hautsymptome.“

    Überschießende Entzündungsreaktion ist selten

    Die Mediziner der Stellungnahme fordern dazu auf, dass Kinderärzte den beschriebenen Symptomen eine erhöhte Aufmerksamkeit schenken. Die USA sowie das Vereinigte Königreich hätten bereits eine landesweite Warnung herausgegeben, berichtet Alexander Kekulé in seinem MDR-Podcast. „Auch das Robert-Koch-Institut sollte darauf hinweisen, dass diese seltene Krankheit beobachtet werden sollte – gerade, wenn wir jetzt die Schulen wieder aufmachen“, sagt der Virologe. Das sei wichtig, um Kinderärzte zu informieren, die bisher wenig mit einem solchen Krankheitsbild in Berührung gekommen sind. Dennoch glaube er nicht, dass es in Deutschland wahnsinnig viele Fälle geben werde.

    Abschließend beruhigen auch die Kinderärzte hinsichtlich Hyperinflammationssyndromen: „Die absoluten Fallzahlen sind sehr gering und sollen daher zu keiner generellen Sorge der Eltern führen.“

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