Obduktionen von COVID-19-Verstorbenen: Lunge und weitere Organe geschädigt
Die durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Krankheit COVID-19 kann nicht nur schwere Lungenentzündungen auslösen, sondern auch Thrombosen in der Lunge verursachen und in weiterer Folge andere Organe wie Niere, Leber und Bauchspeicheldrüse schädigen. Der Nutzen von Blutverdünnern zur Vorbeugung und Behandlung dieser Thrombosen ist laut Forschenden noch nicht geklärt.
Zu Beginn der Pandemie wurde das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 häufig auch als Atemwegsvirus bezeichnet. Doch inzwischen haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt, dass es sich bei dem Erreger um ein „Multiorganvirus“ handelt, das viele Organe befällt und häufig zu Thrombosen und Lungenembolien führt. Das belegen auch Obduktionen von COVID-19-Verstorbenen.
Mehrere Organe geschädigt
Laut einer aktuellen Mitteilung der Medizinischen Universität (MedUni) Wien löst COVID-19 nicht nur schwere Lungenentzündungen aus, sondern kann auch Thrombosen in der Lunge verursachen und in weiterer Folge auch andere Organe wie Niere, Leber und die Bauchspeicheldrüse schädigen.
Das haben die Ergebnisse einer ersten größeren Serie von Obduktionen in Österreich gezeigt, die im Rahmen einer Studie an der Pathologie des Landeskrankenhauses Graz II, Standort West in Kooperation mit der Medizinischen Universität Graz, der Johannes Kepler Universität Linz und der MedUni Wien durchgeführt wurden.
Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Journal Annals of Internal Medicine“ veröffentlicht und mit einem Editorial gewürdigt.
Schäden an der Lunge sind der Ausgangspunkt der Erkrankung
Wie Sigurd Lax, Professor für Pathologie an der Johannes Kepler Universität Linz und Vorstand des Instituts für Pathologie des Landeskrankenhauses Graz II, einem Akademischen Lehrkrankenhaus der MedUni Graz, erklärt, handelt es sich bei COVID-19 nicht um eine rein die Lunge schädigende Erkrankung.
Der Mediziner führte Obduktionen an COVID-19-Verstorbenen durch und wertete die Ergebnisse der ersten elf Fälle gemeinsam mit seinem Grazer Team mit Kollegen der Abteilungen für Innere Medizin und Anästhesiologie des LKH Graz II, dem Diagnostik- und Forschungsinstitut für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin der Med Uni Graz, dem Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der KAGes und Michael Trauner von der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien aus und sagt:
„Unsere Untersuchung zeigt, dass zwar die Schäden an der Lunge der Ausgangspunkt der Erkrankung sind, aber die Folge sind häufig Thrombosen im Lungenkreislauf selbst und es sind auch andere Organe geschädigt.“
Rasch voranschreitendes Versagen der Lungenfunktion und des Kreislaufs
Thrombosen (Gefäßverstopfung durch Blutgerinnsel) können wie bei einem Herzinfarkt und Schlaganfall Gefäße direkt verschließen und zu einem Gewebstod (Infarkt) führen.
Bei COVID-19 kommt es zwar direkt in den Lungenbläschen zu einer Entzündung, die Mitreaktion in den kleinen Arterien scheint jedoch oft eine Blutgerinnung auszulösen, die speziell bei Patientinnen Patienten mit Vorerkrankungen des Herz-Kreislaufsystems zu einer Verlangsamung der Lungendurchblutung und in der Folge zu weiteren Thrombosen in der Lunge führen kann.
Laut den Fachleuten kommt es damit zu einem rasch voranschreitenden Versagen der Lungenfunktion und des Kreislaufs als unmittelbare Todesursache bei COVID-19.
Bei COVID-19 sind eine Reihe weiterer Organe wie Niere, Leber, Bauchspeicheldrüse, Nebenniere sowie lymphatisches System mitbetroffen.
„Wir sehen, dass es sich bei COVID-19 um eine schwere Infektionskrankheit handelt, die den gesamten Organismus beeinträchtigt“, so Michael Trauner.
Ob es bei Überlebenden schwerer Verläufe zu Langzeitschäden der betroffenen Organe kommen kann, ist derzeit noch unklar. Andere Berichte über Patientinnen und Patienten, die bei COVID-19 Thrombosen in den Beinvenen mit Lungenembolien sowie Schlaganfälle erlitten haben, untermauern, dass die erhöhte Thromboseneigung bei COVID-19 weitreichende Auswirkungen hat.
Weitere Studien notwendig
Die Rolle von Gerinnungshemmern, sogenannten „Blutverdünnern“ zur Vorbeugung und Behandlung dieser Thrombosen ist noch nicht geklärt, da klinisch behandelte Patientinnen und Patienten ohnehin vorbeugend mit blutverdünnenden Medikamenten versorgt werden, diese aber die COVID-19-typischen Thrombosen in der Serie nicht verhindern konnten, streichen die Intensivmediziner aus dem LKH Graz II hervor.
Die Befunde der Studie unterstützen die Forderung von Gerinnungsfachleuten nach einer großzügigen und rechtzeitigen Indikationsstellung für eine Thromboseprophylaxe – auch bei nicht-hospitalisierten Patientinnen und Patienten.
Wie es in der Mitteilung heißt, werden weitere Studien untersuchen müssen, ab wann und in welchem Umfang eine therapeutische Blutverdünnung abhängig von Laborbefunden und Bildgebung sinnvoll ist.
Laut den Forschenden sind Folgestudien notwendig, um die systemischen und lokalen Mechanismen im Lungenkreislauf aufklären, die zu diesen Thromboseneigungen führen, um daraus neue, wirkungsvolle Therapien zu entwickeln. (ad)
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