Spätfolgen von COVID-19 bisher deutlich unterschätzt
Währen Infektionen mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 anfangs vor allem mit gefährlichen Atemwegsbeschwerden in Zusammenhang gebracht wurden, wuchs im Verlauf der Pandemie die Erkenntnis, dass COVID-19 im Prinzip den ganzen Körper befallen kann. Entsprechend weitreichend ist das Spektrum der drohenden Beschwerden und Spätfolgen. Diese reichen von Kopfschmerzen und Müdigkeit über neurologische Beeinträchtigungen, Schädigungen der Nieren und des Herz-Kreislauf-Systems bis hin zu einem Schlaganfall oder Herzinfarkt.
Welche Beeinträchtigungen bei COVID-19 drohen haben Forschende des Beth Israel Deaconess Medical Center (BIDMC) und des Irving Medical Center der Columbia University anhand ihrer eigenen Erfahrungen und einer Auswertung der bisher verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse analysiert. Demnach kann COVID-19 neben den Atemwegsbeschwerden unter anderem schwere Nieren-, Herz- und Hirnschäden zur Folge haben. Die Ergebnisse des Forschungsteams wurden in dem renommierten Fachmagazin „Nature Medicine“ veröffentlicht.
Coronavirus kann Organe im ganzen Körper schädigen
Zu Beginn der COVID-19-Pandemie wurde die Krankheit vor allem als eine grippeähnliche Atemwegsinfektion charakterisiert, die hauptsächlich die Lungen befällt. Doch mittlerweile ist bekannt, dass das Coronavirus Organe im ganzen Körper schädigen kann, berichten die Forschenden. Auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen bei der Betreuung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten sowie auf Basis der neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse hat das Forschungsteam die möglichen Beeinträchtigungen und Spätfolgen der Erkrankung und die zugrundeliegenden Mechanismen analysiert.
Auch das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle steigt
Zunächst ist selbstverständliche die schwere Atemnot zu nennen, welche viele Betroffene entwickeln, doch hat den Ergebnissen des Forschungsteams zufolge hat ein Drittel der COVID-19-Erkrankten auch mit neurologische Symptomen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit und Geruchsverlust zu kämpfen. Hinzu komme ein erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt, Nierenversagen und Gerinnungsstörungen. Nicht zuletzt werde bei schweren Krankheitsverläufen durch Blutgerinnsel und Delirium auch das Risiko für Schlaganfälle erhöht, berichtet Studienleiter Aakriti Gupta vom BIDMC.
Vermehrt Hinweise auf neurologische Beeinträchtigungen
Die möglichen neurologischen Beeinträchtigungen und das erhöhte Schlaganfallrisiko durch COVID-19 hatte auch ein Forschungsteam des University College London in einer kürzlich veröffentlichten Studie aufgezeigt. Die Erkrankung kann Nervenschäden, Entzündungen im Gehirn und Schlaganfälle zur Folge haben, warnte das Forschungsteam um Dr. Michael Zandi in dem Fachmagazin „Brain“.
Systemische Entzündungen bei COVID-19
In der aktuellen Untersuchung des BIDMC und des Irving Medical Center kommen die Forschenden nun zu dem Schluss, dass die verschiedenen Komplikationen vermutlich alle auf die systemische Entzündung zurückzuführen seien, die auftreten kann, wenn das Immunsystem versucht, den Angriff des Virus auf den Körper abzuwehren. Besonders betroffen seien hierbei die Zellen, die die Blutgefäße auskleiden.
Ausbreitung von Blutgerinnseln
„Wenn das Virus Blutgefäßzellen angreift, nimmt die Entzündung zu, und das Blut beginnt, große und kleine Blutgerinnsel zu bilden. Diese Blutgerinnsel können sich im ganzen Körper ausbreiten und an Organen verheerende Schäden anrichten, wodurch ein Teufelskreis entsteht“, berichtet das Forschungsteam. Die Reaktion des Immunsystems könne außer Kontrolle geraten und weitere Beschwerden verursachen.
Diesen Zyklus zu durchbrechen, könnte ein vielversprechender Weg sein, Patientinnen und Patienten mit schweren COVID-19-Verläufen zu behandeln und Spätfolgen zu vermeiden, erläutert das Forschungsteam. Zudem seien nun Folgeuntersuchungen an den COVID-19-Erkrankten erforderlich, um das gesamt Ausmaß der drohenden Spätfolgen zu erfassen. (fp)
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