Das Aufsehen war groß als das Mainzer Biotechnologie-Unternehmen Biontech und das Pharma-Unternehmen Pfizer in der vergangenen Woche bekanntgaben, dass ihr Corona-Impfstoffkandidat in der entscheidenden klinischen Prüfung eine Wirksamkeit von 90 Prozent zeigte. Nun legt der US-Konzern Moderna nach: Auch dieses Vakzin scheint in der klinischen Prüfung einen guten Schutz vor Covid-19 zu bieten. Laut Mitteilung der Firma soll sich die Wirksamkeit auf 94,5 Prozent belaufen.
Für den Moderna-Impfstoff wird nun ein sogenanntes "Rolling-Review-Verfahren" starten – das gab die Europäische Arzneimittelagentur EMA bekannt. Bei diesem Verfahren werden nach und nach alle für die Zulassung notwendigen Daten bei der EMA eingereicht und können unmittelbar bewertet werden. Dies spart Zeit im Vergleich zum bisherigen Vorgehen, bei dem die Daten zunächst gesammelt und eingereicht werden, sobald diese vollständig sind. Auch die Impfstoffkandidaten von Biontech und Pfizer beziehungsweise AstraZeneca und Oxford University werden von der EMA in diesem beschleunigten Verfahren bewertet.
Im Kern sind die Meldungen aus dem Hause Biontech/Pfizer beziehungsweise Moderna eine Ankündigung, dass sie die ersten Datenpakete aus der klinischen Phase 3 bei der EMA einreichen werden. Bei Studien dieser Art werden Sicherheit und Wirksamkeit der Impfstoffkandidaten an mindestens 20.000 Probanden untersucht. Sie gelten als entscheidende Prüfungsphase, bevor es gegebenenfalls zu einer Zulassung durch die Europäische Kommission kommt. Dafür sind jedoch auch Daten zur Impfstoffsicherheit und Verträglichkeit wichtig.
Wie vielversprechend ist die Meldung aus dem Hause Moderna? Und wo liegen die Unterschiede zu dem Impfstoffkandidaten von Biontech? Wichtige Fragen und Antworten im Überblick.
Moderna meldet für seinen Impfstoff eine Wirksamkeit von 94,5 Prozent. Wie kommt diese Zahl zustande?
Moderna testet seinen RNA-Impfstoff mRNA-1273 derzeit an 30.000 Probanden. Es handelt sich dabei um eine klinische Prüfung der Phase 3. Eine Hälfte der Probanden erhält den Impfstoff, die andere nur ein Placebo-Mittel – also einen Scheinimpfstoff. Weder Proband noch Impfender wissen, wer welches Mittel bekommt. Forscher nennen diese Vorgehensweise "Verblindung".
Bislang erkrankten 95 Studienteilnehmer an Covid-19. 90 Erkrankungen wurden in der Placebo-Gruppe gezählt, 5 Fälle unter den tatsächlich geimpften Probanden. Daraus ergibt sich die Wirksamkeit von 94,5 Prozent.
Was genau versteht man unter einem mRNA-Impfstoff?
Impfstoffe dieser Art enthalten sogenannte "mRNA", auch "messenger-RNA" beziehungsweise "Boten-RNA" genannt. Mit der Impfung wird den Zellen die Information für die Herstellung einzelner Proteine übertragen. Die Zelle beginnt nach dem Bauplan der mRNA mit der Produktion von Proteinen, die als Antigene eine Immunantwort auslösen. Das Botenmolekül – die mRNA – kann nicht in die DNA einer Zelle eingebaut werden und wird vom Körper abgebaut.
Interessant für die Impfstoffentwicklung gegen Covid-19 ist vor allem das sogenannte Spike-Protein, mit dem sich das Coronavirus Zugang zu menschlichen Zellen verschafft. Die Impfstoffkandidaten von Biontech und Moderna basieren beide auf genetischen Informationen, die den Bauplan für dieses Protein vorgeben.
Was sagen Expert*innen zu der Moderna-Meldung?
Es sei "eine sehr gute Nachricht" einen weiteren Impfstoff zu haben, der eine ähnliche Wirksamkeit wie der von Pfizer und Biontech zeige, sagte Trudie Lang, Professorin für globale Gesundheitsforschung an der Universität von Oxford. Die Moderna-Meldung basiere ebenfalls auf einer Zwischenauswertung der klinischen Prüfung.
Stephen Evans von der London School of Hygiene & Tropical Medicine betonte, dass bereits eine "beträchtliche Anzahl" älterer Patienten und Menschen mit Vorerkrankungen in die Studie einbezogen wurde. Es würden nun aber weitere Daten oder ein vollständiger Bericht benötigt, um festzustellen, ob der Nutzen für alle Altersgruppen, insbesondere für ältere Menschen, gleich sei. Er nannte die Meldung einen "ermutigenden" Fortschritt.
Erste Daten zur Verträglichkeit seien "ziemlich gut", sagte Peter Openshaw, Professor für Experimentelle Medizin am Imperial College London. Die erste Injektion habe bei etwa drei Prozent der Probanden zu Druckschmerzen an der Einstichstelle geführt. Nach der zweiten Dosis klagten etwa zehn Prozent aller Probanden über grippeähnliche Beschwerden wie Müdigkeit und Muskelschmerzen. "Diese Effekte würde man bei einem Impfstoff, der wirkt und eine gute Immunantwort auslöst, erwarten", so Openshaw. Weitere Daten zur Sicherheit stehen noch aus.
Wie unterscheiden sich die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna?
Beide Impfstoffkandidaten sind zunächst einmal sehr ähnlich: Es handelt sich in beiden Fällen um mRNA-Impfstoffe, die in zwei Impfstoff-Dosen verabreicht werden. Beide zielen auf das sogenannte Spike-Protein des Coronavirus ab. Und für beide läuft die entscheidende klinische Prüfung der Phase 3. "Während bei Biontech die Wirksamkeit mit über 90 Prozent angegeben wurde, liegt sie beim Moderna-Impfstoff bei 94,5 Prozent. Das sind fast identische Ergebnisse, die sich bei Biontech auf 94 und bei Moderna auf 95 beobachtete Covid-19-Infektionen beziehen", sagt Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Unklinik Köln. Die beinahe gleichlautenden Zahlen sieht er als "sehr starkes Indiz", dass das Prinzip der mRNA-Impfstoffe zur Verhinderung von Sars-CoV-2-Infektionen "tatsächlich funktioniert". Angesichts des riesigen weltweiten Bedarfs sei es "sehr positiv", dass nun ein weiterer Hersteller auf den Plan trete.
Unterschiede zeigen sich allerdings beispielsweise bei der Lagertemperatur. Während das Biontech-Pfizer-Vakzin bei -70 Grad Celsius aufbewahrt wird, scheint der Moderna-Impfstoff bereits bei Temperaturen um -20 Grad Celsius für mindestens sechs Monate stabil zu sein. Dies könnte eine spätere Verteilung des Impfstoffs erleichtern. Der Impfstoffkandidat von Biontech/Pfizer enthält dagegen geringere Menge mRNA, was gewisse Vorteile im Herstellungsprozess haben könnte.
Wie geht es nun weiter?
Moderna will in den kommenden Wochen eine Notfallzulassung bei der US-Arzneimittelagentur FDA beantragen. Ein Rolling-Review-Verfahren bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA hat ebenfalls begonnen. "Am Ende werden alle für eine Zulassung vorliegenden Daten in ihrer Gesamtheit von den Experten der europäischen Arzneimittelbehörden bewertet, um zu einer abschließenden Nutzen-Risikobewertung zu kommen", sagte Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, mit Blick auf das Rolling-Review-Verfahren in einem stern-Interview. "Bei günstigem Nutzen-Risikoverhältnis empfiehlt der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Kommission die Zulassung."
Quelle:Moderna / Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) /Science Media Center
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