Der Bundestag beschäftigt sich am heutigen Donnerstagmorgen mit mehreren Anträgen zur Organspende. Vor dieser wegweisenden Entscheidung haben Abgeordnete für zwei gegensätzliche Vorstöße geworben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die Bundesärztekammer riefen angesichts von rund 9000 Schwerkranken auf den Wartelisten zu einer tiefgreifenden Umstellung auf. Auch die SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar warb für die doppelte Widerspruchslösung, erklärte aber, dass es ein extrem enges Rennen werde.
Der doppelten Widerspruchslösung zufolge soll künftig jeder als Spender gelten, wenn er nicht widerspricht. Patientenschützer und eine andere Abgeordnetengruppe, die einen Gegenvorschlag vorlegt, untermauerten Bedenken dagegen. Die Abstimmung ohne übliche Fraktionsvorgaben wird mit Spannung erwartet. Dittmar erklärte am gestrigen Mittwoch in Berlin, dass es derzeit etwa 250 Abgeordnete gebe, die diesen Vorschlag unterstützen. Man müsse sich also anstrengen, um ein „Unentschieden“ zu erreichen. Sie prophezeite aber ein „enges Rennen“.
Spahn sagte, er sei kein Gegner des anderen Entwurfs. „Ich meine nur, dass es zu wenig ist“, sagte er dem Nachrichtenportal t-online.de. Nur die „doppelte Widerspruchslösung“, die er mit einer Gruppe von Abgeordneten vorschlägt, mache einen echten Unterschied. Sie würde die Rechtslage umkehren, wonach Organentnahmen nur bei ausdrücklich erklärtem Ja erlaubt sind. Stattdessen sollen alle Bürger Spender sein, wenn sie dem nicht widersprechen. Sonst wäre noch der nächste Angehörige zu fragen, ob er einen Widerspruch kennt.
Der CSU-Politiker Georg Nüsslein sagte, die meisten Menschen wollten ein Spenderorgan, wenn sie nur so überleben könnten. Das sei der Normalfall. „Deshalb macht es Sinn, auch die Spendenbereitschaft zum Normalfall zu machen.“ Dies sei „ein Akt christlicher Nächstenliebe“. Ärztepräsident Klaus Reinhardt sagte, die Widerspruchslösung wäre ein starkes Signal der gesellschaftlichen Solidarität. Dies zwinge niemanden, Organe zu spenden und greife daher auch nicht in das Selbstbestimmungsrecht ein. Diese Lösung nehme Menschen aber in die Pflicht, sich für oder gegen eine Spende zu entscheiden.
Mattheis (SPD): Widerspruchslösung setzt auf Trägheit der Menschen
Die Unterstützer des alternativen Gesetzentwurfs für eine Stärkung der Entscheidungsbereitschaft kritisierten diese Stoßrichtung. „Wir wollen, dass Spender Spender sein müssen“, sagte die SPD-Abgeordnete Hilde Mattheis. Die Anhänger der Widerspruchslösung setzten auf die Trägheit der Menschen mit dem Ziel, dass viele nicht widersprechen. Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) meinte, die Widerspruchsregelung könne die Spendebereitschaft sogar reduzieren. Die Linke-Abgeordnete Kathrin Vogler argumentierte, es komme ohnehin vor allem auf eine bessere Organisation in Kliniken an. Otto Fricke (FDP) monierte, die Widerspruchslösung wolle Nächstenliebe quasi staatlich verordnen.
Der Entwurf dieser Gruppe, zu der auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock gehört, sieht vor, stärker zu einer Entscheidung über Organspenden anzuhalten. Dafür schlägt sie etwa vor, alle Bürger mindestens alle zehn Jahre beim Ausweisabholen auf das Thema anzusprechen.
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