Der diesjährige Nobelpreis für Medizin geht an ein Forschertrio aus England und den USA. Geehrt wurden Willam Kaelin, Peter Ratcliffe und Gregg Semenza für ihre Entdeckung molekularer Mechanismen, mit denen Zellen den Sauerstoffgehalt wahrnehmen.
Die fundamentale Bedeutung von Sauerstoff für den Stoffwechsel sei zwar schon lange bekannt gewesen, schreibt das Nobelpreiskomitee. Aber wie Zellen sich an verschiedene Sauerstofflevel anpassen können, das war es noch nicht. Der diesjährige Nobelpreis in Medizin ehre die Arbeit der Forscher, die diese molekularen Mechanismen erforscht haben. The Nobel Committee for Physiology or Medicine. Illustrator: Mattias Karlén Die Entdeckung der diesjährigen Nobelpreisträger in Medizin hat große Bedeutung für die Physiologie, beispielsweise für den Stoffwechsel oder die Immunantwort.
William G. Kaelin, Sir Peter J. Ratcliffe und Gregg L. Semenza haben entdeckt, wie Zellen eine sich ändernde Sauerstoffverfügbarkeit wahrnehmen und sich daran anpassen können, wie das Nobelpreiskomitee berichtet. Damit haben die Forscher die Grundlage gelegt, um zu verstehen, wie das Sauerstofflevel den Stoffwechsel der Zelle beeinflusst.
Alle Tiere benötigen Sauerstoff, um aufgenommene Nahrung im Inneren der Zellen in lebenserhaltende Energie umzuwandeln. Verändert sich der Sauerstoffgehalt, verändert sich die Aktivität zahlreicher Gene und damit letztlich der Stoffwechsel.
Die Arbeiten der diesjährigen Nobelpreisträger hätten die Grundlagen gelegt für die Entwicklung neuer Strategien zur Bekämpfung von Blutarmut, Krebs und vielen anderen Erkrankungen, hieß es von der Nobeljury. Der Sauerstoffgehalt in der Umgebung beeinflusst in bestimmten Fällen das Wachstum der Zellen in einem Tumor und dessen Versorgung. Daher gelten die zugrundeliegenden Mechanismen als mögliche Ansatzpunkte für Krebstherapien.
Bereits 2016 waren die Wissenschaftler geehrt worden
Gregg Semenza vom Johns Hopkins Institute for Cell Engineering in Baltimore identifizierte in den frühen 1990er Jahren ein Protein, das diese sauerstoffabhängigen Reaktionen reguliert. 1995 konnte der 1956 in New York geborene Biologe das Protein gewinnen und weiter erforschen. Der Name des Faktors: HIF (Hypoxia Inducible Factor).
Der Mediziner William Kaelin von der Harvard Medical School in Boston, geboren 1957 in New York, untersuchte eine Krebserkrankung, die auf einem fehlerhaften Protein beruht. Die Aktivität dieses VHL genannten Proteins ist abhängig vom Sauerstoffgehalt.
Der Brite Peter Ratcliffe, 1954 in Lancashire geboren, fand 1999 schließlich heraus, dass es einen Zusammenhang zwischen beiden Proteinen – HIF und VHL – gibt.
Im Jahr 2016 hatten Kaelin, Ratcliffe und Semenza bereits den renommierten Lasker-Award bekommen. Als "ein wunderschönes System" hatte Gregg Semenza damals den Mechanismus der Sauerstoffwahrnehmung in einem Video bezeichnet. Sauerstoff sei die Substanz, von der man am meisten konsumiere und ohne die man am kürzesten überlebe.
Institut hatte Probleme, alle Gewinner zu erreichen
Das Karolinska-Institut hatte Schwierigkeiten, einen der diesjährigen Medizin-Nobelpreisträger zu erreichen. Man habe vom US-Amerikaner William Kaelin erst keine Nummer gehabt, sagte Thomas Perlmann von der Nobelversammlung des Instituts am Montag bei der Bekanntgabe in Stockholm.
Zunächst sei daher seine Schwester angerufen worden, die zwei Nummern herausgegeben habe. Bei der ersten erreichte die Versammlung jedoch die falsche Person, bei der zweiten sei das Überbringen der Nachricht dann geglückt. "Er war sehr froh, fast sprachlos", berichtete Perlmann über Kaelins Reaktion.
Der Medizin-Nobelpreis wird seit 1901 verliehen. Die erste Auszeichnung ging damals an den deutschen Bakteriologen Emil Adolf von Behring für die Entdeckung der Serumtherapie gegen Diphtherie.
Die Preisträger der vergangenen zehn Jahre waren:
2018: Der US-Amerikaner James Allison und der Japaner Tasuku Honjo für die Entwicklung von Immuntherapien gegen Krebs.
2017: Die US-Forscher Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young für die Erforschung der Inneren Uhr.
2016: Der Japaner Yoshinori Ohsumi, der das lebenswichtige Recycling-System in Körperzellen entschlüsselt hat.
2015: Die Chinesin Youyou Tu, die den Malaria-Wirkstoffs Artemisinin entdeckt hat. Sie teilte sich den Preis mit dem gebürtigen Iren William C. Campbell und dem Japaner Satoshi Omura, die an der Bekämpfung weiterer Parasiten gearbeitet hatten.
2014: Das norwegische Ehepaar May-Britt und Edvard Moser sowie John O'Keefe (USA/Großbritannien) für die Entdeckung eines Navis im Hirn: Sie fanden grundlegende Strukturen unseres Orientierungssinns.
2013: Thomas Südhof (gebürtig in Deutschland) sowie James Rothman (USA) und Randy Schekman (USA) für die Entdeckung von wesentlichen Transportmechanismen in Zellen.
2012: Der Brite John Gurdon und der Japaner Shinya Yamanaka für
die Rückprogrammierung erwachsener Körperzellen in den embryonalen
Zustand.
2011: Bruce Beutler (USA) und Jules Hoffmann (Frankreich) für
Arbeiten zur Alarmierung des angeborenen Abwehrsystems. Ralph
Steinman aus Kanada entdeckte Zellen, die das erworbene Immunsystem
aktivieren. Er war kurz vor der Verkündung gestorben und bekam den
Preis posthum.
2010: Der Brite Robert Edwards für die Entwicklung der
Reagenzglas-Befruchtung.
2009: Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak (alle
USA) für die Erforschung der Zellalterung.
Den Medizinnobelpreis haben seit der ersten von bislang 109 Vergaben insgesamt 216 Personen erhalten, darunter nur zwölf Frauen. 39 Mal ging sie an einen Einzel-, 33 Mal an zwei und 37 Mal an drei Preisträger. Der Preis darf an maximal drei Personen gleichzeitig vergeben werden.
Die Dotierung beträgt derzeit 9 Millionen Kronen (rund 840 000 Euro). Bis Ende der Woche folgen dann die Auszeichnungen in Physik, Chemie, Literatur und Frieden, am darauffolgenden Montag schließlich der Wirtschaftsnobelpreis.
Medizin-Nobelpreisträger warnt: Erreger in Milch und Fleisch könnten Krebs fördern
Quelle: Den ganzen Artikel lesen