Impfung, Übertragung, Verbreitung: Was jetzt zu den Affenpocken wichtig ist

Immer mehr Fälle der Viruserkrankung Affenpocken werden international diagnostiziert. In Deutschland sind laut Robert Koch-Institut zehn Fälle bestätigt worden (Stand: 25.5.2022). Expert:innen schätzen die Gefahr eines größeren Ausbruchs als gering ein. Doch viele Fragen müssen in der Forschung erst noch beantwortet werden. Was schon bekannt ist und was jetzt wichtig ist.

Wie kann ich erkennen, ob ich mich mit Affenpocken angesteckt habe?

Die ersten Symptome wie Fieber und Kopfschmerzen seien noch sehr unspezifisch, sagt Professor Clemens Wendtner in einem Presse-Briefing des Science-Media-Centers. Er ist Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen an der Klinik Schwabing in München. Er behandelt den ersten Affenpocken-Fall, der in Deutschland nachgewiesen wurde. "Wer Hautveränderungen bei sich feststellt – vor allem nach engem Körperkontakt und ungeschütztem Sex mit wechselnden Partner:innen – sollte diese Hautveränderungen ärztlich abklären lassen." Eine Anlaufstelle seien Hautärzt:innen. Das Robert Koch-Institut betont: "Das Risiko, sich mit Affenpocken zu infizieren, ist nicht auf sexuell aktive Menschen oder Männer, die Sex mit Männern haben, beschränkt." Das Gesamtrisiko durch die Erkrankung wird von Gesundheitsbehörden für Personen mit mehreren Sexualpartner:innen als moderat und für die breitere Bevölkerung als gering eingeschätzt.

Affenpocken


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Gibt es neue Erkenntnisse zur Übertragung?

In München ist der Nachweis des Affenpockenvirus im Sperma gelungen. "Wir haben es letztendlich auch mit einer sexuell übertragbaren Erkrankung zu tun", sagt Clemens Wendtner. "Es ist aber nicht so einfach zu sagen, dass eine Übertragung über das Sperma möglich ist. Denn: Bereits durch engen Körperkontakt kommt es zu Übertragungen", ordnet Professor Roman Wölfel den Fund ein. Er ist Oberstarzt und Leiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr. Er hat das erste Genom von Affenpocken in Deutschland sequenziert. "Selbst, wenn das Virus in sehr vielen Körperflüssigkeiten auftritt, es tritt auch in den typischen Pocken-Pusteln auf. Diese sind in jedem Falle infektiös.Tatsächlich hat Sexualität ja nicht nur etwas mit der Übertragung von Samenflüssigkeit zu tun, sondern ist in den meisten Fällen mit engem Körperkontakt verbunden", führt er weiter aus. Heißt: In den meisten Fällen wird das Virus über engen Körperkontakt übertragen.

Wird es nötig werden, dass die Bevölkerung geimpft wird?

Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, rechnet nicht mit einer Impfung gegen die Affenpocken für die breite Bevölkerung. "Die Impfung wird hier, soweit derzeit absehbar, immer nur eine Einzelfallentscheidung sein. Das ist sicherlich keine Sache, die sozusagen generell von der Stiko empfohlen und dann in der Breite angeboten werden wird." Eine Impfung gegen die Affenpocken werde ein fokussiertes Instrument für besondere Situationen in einer begrenzten, klar umschriebenen Bevölkerungsgruppe sein, so Krause.  

Was unterscheidet den jetzigen Affenpockenausbruch von dem in Nigeria 2017/2018?

Die Dynamik bei dem Ausbruch in Nigeria sei eine andere gewesen, schildert Gérard Krause. Er hat den Ausbruch in Nigeria epidemiologisch betreut. Bei dem Ausbruch in Nigeria sei es nur vereinzelt zu Übertragungen von Mensch zu Mensch gekommen. "Viele der Infektionen ließen sich auf eine Tierexposition zurückführen." Heißt: Die Menschen haben sich im Kontakt mit infizierten Tieren angesteckt. "Vermutlich ist der jetzige Ausbruch nur zu einem sehr geringen Teil auf eine Tierexposition zurückzuführen und wird zu einem großen Teil von Mensch zu Mensch übertragen", sagt der Experte. Durch eine bessere medizinische Versorgung, eine andere Lage der Vorerkrankungen und der Hygiene ist die Sterblichkeit sehr wahrscheinlich geringer als in Afrika. Bei beiden Ausbrüchen gibt es Fälle, die geografisch weit entfernt voneinander aufgetreten sind.

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Wie schnell könnten sich Affenpocken verbreiten?

Schätzungen zu dem aktuellen Ausbruchsgeschehen gäbe es noch nicht, da es noch nicht genug Daten gibt, erklärt Professorin Mirjam Kretzschmar,Expertin für mathematische Krankheitsmodellierung am Julius Center for Health Sciences and Primary Care der Universitätsmedizin Utrecht. "Wir kennen Schätzungen aus den letzten Jahrzehnten aus Afrika, da war der R-Wert immer unter 1. Es gab immer nur kleinere und kurzzeitige Ausbrüche." Der R-Wert beschreibt, wie viele Menschen eine infizierte Person im Mittel ansteckt. "Die Pockenimpfung wirkt teilweise auch gegen Affenpocken. In den letzten Jahrzehnten war noch ein Großteil der Bevölkerung gegen Pocken geimpft, doch der Anteil wird immer kleiner. Dadurch kann es sein, dass der Immunschutz in der Bevölkerung nachlässt. Der R-Wert könnte also höher werden, weil weniger Menschen in der Bevölkerung geschützt sind", sagt die Expertin. Inwieweit dies der Fall sei, wisse man noch nicht. Ein Großteil der Menschen über 50 Jahren dürfte noch eine Grundimmunität besitzen, sagt Mirjam Kretzschmar.

Könnte sich das Affenpockenvirus stark verändern, wie wir es schon in der Corona-Pandemie erlebt haben?

Affenpocken sind sogenannte DNA-Viren. Das Erbgut dieser Viren ist im Gegensatz zu RNA-Viren wie es Sars-CoV-2 ist, recht stabil. Dies bedeute, dass Mutationen seltener auftreten, erklärt Roman Wölfel.

Was muss in den nächsten Schritten getan werden?

Die vier Expert:innen sind sich einig, dass eine gute Kontaktverfolgung und weitere mikrobiologische Untersuchungen wichtig sind, um den aktuellen Ausbruch genauer zu verstehen.

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