Wer sich mit Corona ansteckt, merkt es oft nicht. Doch auch ohne Symptome kann jemand das Virus weitergeben. Ganz drastisch zeigt sich das Phänomen aktuell in Shanghai. Die Stadt steckt im harten Lockdown. Gleichzeitig ist die Mehrheit der Omikron-Fälle symptomfrei.
Seit März schießen die Corona-Fallzahlen in China nach oben. Der Grund: Mit Omikron BA.2 erlebt das Land gerade die größte Corona-Welle seit Beginn der Pandemie vor mehr als zwei Jahren. In Shanghai, dem Wirtschafts- und Finanzzentrum des Landes, und anderen Metropolen herrschen Ausgangssperren. Millionen Menschen können ihre Wohnungen nicht verlassen. Am 28. März verhängte die chinesische Regierung einen harten Lockdown.
Die Zahlen steigen jedoch weiter. Die Behörden berichteten, dass am Sonntag in Shanghai wieder mehr als 2400 bestätigte neue Infektionen und mehr als 19.800 asymptomatische Fälle entdeckt worden seien. Im Gegensatz zu anderen Ländern zählt China asymptomatische Infektionen nicht in seiner offiziellen Covid-19-Liste – es enthält nur Menschen mit Symptomen, wie die „South China Morning Post“ schreibt. Asymptomatische Fallzahlen werden gesondert gemeldet.
Die Zahlen zeigen: Die Null-Covid-Strategie ist kein Rezept gegen das Coronavirus. Das hat auch Australien mit der nun dominierenden Omikron-Variante erkennen müssen. China klammert sich dennoch daran. Ausgangssperren, Massentests und Quarantäne verlieren an Wirkung. Die Maßnahmen konnten das Virus in Shanghai bisher nicht stoppen.
Stattdessen berichtete die „South China Morning Post“ für den Monat März von einer extrem hohen Zahl an asymptomatischen Infektionen. Demnach waren während der aktuellen Omikron-Welle in China allein im März etwa 70 Prozent der gemeldeten Fälle asymptomatisch. Und die meisten asymptomatischen Infektionen seien in Shanghai gemeldet worden. Laut Bericht stammen mehr als 90 Prozent aller asymtomatischen Infektionen in China aus Shanghai.
Eine Rolle spielt dabei die Teststrategie, die ein Land verfolgt. So erklären Massentests eine Facette des Shanghai-Phänomens: Die Mehrzahl der landesweit 30.000 neuen Infektionen pro Tag wird dadurch in der Hafenstadt entdeckt.
Warum gibt es so viele asymptomatische Fälle in Shanghai?
Fu Chen, Direktor des Shanghai Center for Disease Prevention and Control, sagte, es spielten einige Faktoren eine Rolle, darunter
- die Immunität der Menschen,
- die Impfrate,
- die Merkmale des Virus und
- die Tatsache, dass Fälle aufgrund von Massentests frühzeitig erkannt werden.
Faktoren Immunität und Impfrate: Sie mildern Symptome
22 Millionen der 25 Millionen Einwohner der Stadt seien vollständig geimpft, und die Hälfte habe ihre Auffrischungsimpfungen erhalten, sagte Fu. Die meisten positiv Getesteten waren vollständig geimpft. Die Impfungen können vor allem schwere Verläufe verhindern, aber auch Symptome mildern oder verhindern, dass überhaupt welche auftreten – wenngleich das mit Omikron nicht mehr so gut funktioniert wie bei vorherigen Varianten.
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Faktor Merkmale des Virus: Omikron macht weniger krank
Dass die harten Maßnahmen in China das Virus nicht stoppen konnten, liegt auch daran, dass Omikron sehr viel ansteckender ist als die vorherigen Varianten. Dadurch, dass es vor allem die oberen Atemwege infiziert, hat der Corona-Typ einen entscheidenden Verbreitungsvorteil.
Die chinesischen Gesundheitsbehörden haben dem Bericht der „South China Morning Post“ zufolge gemeldet, dass 95 Prozent der Fälle entweder keine oder sehr leichte Symptome haben. Das passt zu internationalen Erkenntnissen, dass Omikron überwiegend mildere Verläufe verursacht als beispielsweise Delta. Das gilt nach bisherigen Erkenntnissen sowohl für BA.1 als auch für BA.2. Wer sich also kaum krank fühlt, isoliert sich möglicherweise nicht direkt. Ein weiterer Vorteil für die Ausbreitung.
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Faktor Massentests: Sie decken auch symptomfreie Omikron-Fälle auf
Dazu kommt ein gewisser Prozentsatz an asymptomatischen Übertragungen. Denn manche Menschen entwickeln keinerlei Symptome. Das war relativ bald nach Beginn der Pandemie klar. Wie hoch allerdings der Prozentsatz asymptomatischer Ansteckungen ist, dazu variieren die Zahlen – auch je nach Studiendesign.
Es scheint, dass sich die Quote in der Omikron-Ära verändert hat – und höher geworden ist. Eine im Januar in Südafrika durchgeführte Studie ergab, dass die Rate der asymptomatischen Träger mit Omikron auf 16 Prozent anstieg, verglichen mit 2,6 Prozent während der Beta- und Delta-Ausbrüche.
Was zählt als asymptomatische Infektion?
Laut der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet auch China eine Infektion dann als symptomfrei, wenn der PCR-Test (in dem Fall aus China) positiv ausfällt, aber keines der typischen Symptome wie Husten, Schnupfen, Fieber, Erschöpfung aus der Liste der Krankheitszeichen auftaucht.
Wer zum Zeitpunkt des positiven Tests keine Symptome hat, aber später welche entwickelt, wird in China als positiver Fall gezählt.
Die in Shanghai angeordneten Massentestungen spüren naturgemäß viele der asymptomatischen Infektionen auf. Und selbst diejenigen, die ohne Symptome positiv getestet werden, werden immer noch isoliert. Dieses harte Los trifft derzeit täglich Tausende in China.
Jeder Infizierte muss in ein Isolations-Lager
Es geht die Angst um, in Quarantäne gebracht zu werden, wenn einer der ständigen Tests positiv ausfallen sollte. Jeder Infizierte muss in China in zentrale Lager, die für Zehntausende auch in Messehallen eingerichtet wurden. Vielfach gibt es keine Duschen. Es gibt Klagen über dreckige Toiletten. „Es sind Super-Spreader-Abschottungsorte, und es ist ganz leicht, Kreuzinfektionen zu bekommen“, warnt die Vizepräsidentin der Europäischen Handelskammer in China, Bettina Schön-Behanzin, die schon lange in der Hafenstadt lebt.
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Entspannung ist in Shanghai derzeit nicht in Sicht. Die Roboterhunde marschieren durch die Straßen. Aus ihnen schallt es: „Tragt Maske, wascht häufig Hände, und messt Fieber!“ Chinesische Experten erwarten erst für Mitte Juni, dass der Ausbruch in Shanghai wirklich unter Kontrolle sein könnte.
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