Gibt es neue Corona-Regeln für Deutschland? Auf der vorgezogenen Ministerpräsidentenkonferenz besprechen die 16 Länderchefs mit der geschäftsführenden Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem designierten Nachfolger Olaf Scholz das weitere Vorgehen. Die Forderungen sind teilweise konträr. FOCUS Online gibt einen Überblick.
Baden-Württemberg plant schärfere Corona-Maßnahmen. Klar ist offenbar, dass Fußball-Geisterspiele kommen. Die Besucherzahlen bei Großveranstaltungen wurden in Baden-Württemberg erst kürzlich beschränkt. Die Fußball-Vereine dürfen nur die Hälfte ihrer Kapazität nutzen. Die Obergrenze liegt bei 25.000 Zuschauern. Hier gilt die 2G-Plus-Regel. Geimpfte und Genesene benötigen einen zusätzlichen Test. dpa/Sebastian Gollnow/dpa Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
"Sportgroßveranstaltungen werden wir massiv einschränken oder gar untersagen", kündigte Kretschmann an. Man werde die Zahl der Zuschauer drastisch reduzieren, womöglich gar keine Zuschauer mehr zu Fußballspielen zulassen. Man lote derzeit die Grenzen des Infektionsschutzgesetzes aus. Schulen und den Präsenzunterricht werde man so lange offenhalten "wie nur irgendwie vertretbar und möglich".
Ministerpräsident Söder hat die künftige Bundesregierung zu drastischen Maßnahmen aufgefordert, um die vierte Corona-Welle zu brechen. Bayern fordert eine Bundesnotbremse. "Es braucht jetzt konsequente Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, einen Lockdown für Hotspotregionen, Masken in allen Schulen und Fußballspiele ohne Zuschauer", erklärt Söder. Sven Hoppe/dpa Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern.
Aufgrund der neuen Omikron-Variante müssen alle Flüge aus Südafrika gestoppt werden. "Im Übrigen braucht es mehr Impfstoff für die Länder, umfangreiche Entschädigungen für die Wirtschaft wie im vergangenen Jahr und eine Impfpflicht für alle ab Januar. Das ist ein Notpaket für Deutschland", stellt Söder klar.
Beim Fußball ist er auf Kretschmanns Linie und fordert Geisterspiele. "Es macht auf absehbare Zeit keinen Sinn, wieder Zuschauer zuzulassen", sagte er am Dienstagmorgen dem Bayerischen Rundfunk. "Es ist eine wichtige Forderung, dass wir heute bundeseinheitlich beschließen, dass wir künftig keine Zuschauer mehr machen." Sich einem Nein der Mehrheit beugen will er auf keinen Fall. "Wenn das auf Bundesebene nicht funktioniert, würden wir das für Bayern allein machen."
Aus Sicht des Regierenden Bürgermeisters von Berlin wäre die vorgezogene Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) nicht notwendig gewesen. "In einigen Teilen Deutschlands gibt es bereits Teillockdowns in Hot-Spot-Regionen. Hinzu kommt die Homeoffice-Pflicht, die 3G-Regel am Arbeitsplatz und im ÖPNV", erklärte der stellvertretende MPK-Vorsitzende. Fabian Sommer/dpa Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin, spricht.
"Wir haben eine dramatische Lage, die alle Länder dazu zwingt, jetzt schnell zu handeln. Dies war und ist allen Beteiligten der MPK letzte Woche klar gewesen. Deshalb haben wir uns auch so zügig auf Maßnahmen verständigt." Nach Meinung von Müller (SPD) müssen die Länder diese Schritte umsetzen.
Brandenburgs Ministerpräsident Woidke hält die vorgezogene Ministerpräsidentenkonferenz zur Corona-Lage unter Einbeziehung der künftigen Bundesregierung für sinnvoll. Die Bedingung müsse aber sein, dass sich die geschäftsführende und die kommende Bundesregierung abstimmten. Soeren Stache/dpa Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, spricht während einer Pressekonferenz über die Ergebnisse des vorangegangenen Impfgipfels.
Auch müsse mit den Bundesländern über mögliche zusätzliche Maßnahmen gesprochen werden, damit eine solche Runde konkrete Ergebnisse bringt. Woidke hält weitergehende Beschränkungen wegen der rasanten Steigerung der Corona-Infektionszahlen für realistisch. Schulen will der SPD-Politiker so lange wie möglich offen halten.
Bremens Bürgermeister Bovenschulte hält eine bundesweite Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen für denkbar. "Wir werden angesichts der Zuspitzung der Lage in Teilen Deutschlands über eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen nachdenken müssen", erklärte er. Bovenschulte denkt in diesem Zusammenhang an Krankenhäuser, Pflegeheime, Schulen und Kitas. Eine solche Impfpflicht könne allerdings nur bundesweit eingeführt werden, um die Corona-Pandemie einzudämmen. dpa/Sina Schuldt/dpa Andreas Bovenschulte (SPD), Bürgermeister von Bremen, spricht.
Das Land Bremen nannte Bovenschulte in der Bekämpfung der hohen Inzidenzen als Vorbild. Sein Bundesland hat die höchste Impfquote. "Bremen hat in der Pandemie bislang primär auf Überzeugung und nicht auf Druck gesetzt – und damit auch beim Impfen gute Erfahrungen gemacht", erklärte Bovenschulte.
Hamburg muss sich auf schärfere Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie einstellen. Die Infektionsdynamik muss gestoppt und Ungeimpfte vor Ansteckungen geschützt werden. "Deshalb gehe ich davon aus, dass wir die Lage erörtern und weitere Maßnahmen beschließen. Und ich erwarte auch, dass wir in ganz Deutschland solche weiteren Schritte gehen." Georg Wendt/dpa Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg, spricht.
Zu Beginn der Woche hat Hamburg die 2G-Regel umgesetzt. Somit können Erwachsene ohne vollständige Impfung oder Genesung nicht mehr ins Theater, Kino oder Museum gehen, in einem Hotel übernachten oder eine Hafenrundfahrt machen. Unter die neue Verordnung fallen auch Volksfeste, Bildungsangebote, die der Freizeitgestaltung zugeordnet werden, sowie Spielhallen und Wettbüros.
Die hessische Landesregierung will mit weiteren Verschärfungen der Maßnahmen zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Virus reagieren. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) ist für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Wenn man die Pandemie in den Griff bekommen will, führe daran kein Weg vorbei. "Verfassungsrechtlich ist das machbar", erklärte Bouffier. Fabian Sommer/dpa/Archivbild Volker Bouffier (CDU), Ministerpräsident von Hessen, verlässt das Konrad-Adenauer-Haus.
Dafür ist ein Bundesgesetz nötig, für das die Mehrheit der künftigen Ampelkoalition von SPD, FDP und Grünen m Bundestag benötigt wird. Wer gegen die Impfpflicht verstoße, soll zunächst ein- oder zweimal ein Bußgeld zahlen, ehe man schließlich von bestimmten Bereichen des Lebens ausgeschlossen werden kann.
Ministerpräsidentin Schwesig hat den geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn scharf kritisiert. Sie fordert strengere Kontaktbeschränkungen. Es sei ein Fehler von Jens Spahn gewesen, dass er Mitte Oktober angekündigt hatte, die epidemische Lage von nationaler Tragweite auslaufen zu lassen. Die damaligen Aussagen Spahns seien ein fatales Signal an die Bevölkerung gewesen. Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa «Wirft Brocken in das Impfgetriebe»: Manuela Schwesig (SPD) übt Kritik am Gesundheitsministerium.
Einen vollständigen Lockdown will Schwesig aber verhindern. Aber Ungeimpfte sollen noch mehr eingeschränkt werden – nach dem Vorbild Österreichs. "Wir setzen jetzt einen Lockdown für Ungeimpfte um", kündigte Schwesig an.
Ministerpräsident Weil kündigt eine allgemeine Corona-Impfpflicht und strengere Corona-Regeln an. Mit der Omikron-Variante des Corona-Virus ergebe sich eine neue Lage, erklärte er der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". "Wir werden uns massiv anstrengen müssen, um den Impfschutz sehr rasch nach oben zu treiben", sagte der SPD-Politiker. Julian Stratenschulte/dpa Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident Niedersachsen, spricht.
"Erste Untersuchungen zeigen, dass vor allem Booster-Impfungen auch gegen diese Mutation eine gute Wirkung entfalten können. Deshalb ist spätestens jetzt eine allgemeine Impfpflicht unabdingbar. Wir müssen den Impfdruck unbedingt erhöhen." Die 2G-Plus-Regel soll in ganz Niedersachsen gelten. Einen Lockdown schließt der Ministerpräsident nicht explizit aus.
Ministerpräsident Wüst kündigt "noch in dieser Woche" härtere Corona-Regeln in Nordrhein-Westfalen" an. Zu Beginn der Woche kündigte er an, dass man über "kontaktreduzierende Maßnahmen" beraten wolle. Dabei wird Nordrhein-Westfalen aber keinen Alleingang machen, sondern auf bundeseinheitliche Verschärfungen der Corona-Regeln setzen. Ein flächendeckender Lockdown auch für Geimpfte ist in NRW aber wohl kein Thema. Michael Kappeler/dpa POOL/dpa Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, schaut in die Kamera.
"Die Wissenschaft mahnt uns dazu, Kontaktreduzierungen zu verschärfen und da deutlich besser aufzupassen. Das werden wir noch in dieser Woche umsetzen", kündigte Wüst an. Dabei geht es vor allem um Großveranstaltungen und Orte mit besonderem Infektionsrisiko. Somit droht unter Umständen auch das anstehende Bundesligaspiel zwischen dem BVB und dem FC Bayern zum Geisterspiel zu werden.
Vor der Runde der Länderchefs mit der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel hat die rheinland-pfälzische Landeschefin Malu Dreyer (SPD) eine bundesweite Regulierung von Großveranstaltungen gefordert. "Ich bin ganz klar dafür, dass man Großveranstaltungen zahlenmäßig deckeln muss", erklärte Dreyer. Es gehe nicht, dass so viele Menschen im Fußballstadion zusammen sind. "Das ist auch psychologisch nicht vermittelbar." Andreas Arnold/dpa/Archivbild Die rheinland-pfälzische Landeschefin Malu Dreyer (SPD) spricht zu Journalisten.
Neben flächendeckenden Maßnahmen wie 2G und 2G plus erwartet die SPD-Politikerin einen weiteren Austausch zum Thema Impfen. Auch eine allgemeine Impfpflicht schloss Dreyer nicht aus und wies dabei auf Umfragen hin: "Ich sehe die Umfragen, und die Bevölkerung ist viel offener dafür als am Anfang". Es sei richtig, die Diskussion und rechtliche Würdigung zu einer allgemeinen Impflicht zu starten.
Die Landesregierung des Saarlandes plant Verschärfungen der Corona-Maßnahmen. Das hat Ministerpräsident Hans in einer Regierungserklärung angekündigt. Massive Beschränkungen soll es für Ungeimpfte geben. "Die Fallzahlentwicklung ist dramatisch, wir befinden uns nach wie vor in einer epidemischen Lage", erklärte Hans. Aus 2G soll künftig 2G plus werden. In Restaurants, Hotels, für körpernahe Dienstleistungen, aber auch in Schwimmbädern und für jegliche sportlichen Tätigkeiten drinnen wie z.B. Fitnessstudios haben nur Geimpfte und Genese Zutritt, die zusätzlich einen negativen Test vorweisen. Oliver Dietze/dpa/Archivbild Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlandes.
Diese 2G-Plus-Regelung soll auch für kulturelle Einrichtungen wie Museen, Kinos sowie jegliche kulturellen Veranstaltungen gelten. Außerdem soll die 2G-Regelung auch im Einzelhandel eingeführt werden. Ausgenommen sind davon Geschäfte, die der Grundversorgung dienen, also zum Beispiel Supermärkte.
Mit einem "Wellenbrecher" versucht Sachsen seit einer Woche, die hohen Corona-Zahlen und Inzidenzen drastisch zu senken. "Impfen ist der einzige Weg, diese Pandemie zu beenden", sagte Kretschmer, in dessen Bundesland die niedrigste Impfquote bundesweit verzeichnet wird. Der Ministerpräsident verteidigte, dass Sachsen Anfang November als erstes Bundesland die 2G-Regel für viele Bereiche des öffentlichen Lebens eingeführt hat und inzwischen keine Fans mehr ins Fußballstadion dürfen. Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen.
"Das sind harte Entscheidungen, die aber notwendig sind, um die Kontakte zu reduzieren." Die wieder hochgefahrene Impfkampagne bringe erst in einigen Wochen Erleichterung. Bis dahin sind Disziplin und Kontaktbeschränkungen nötig. "Es braucht eine rechtliche Grundlage", die aktuellen Regeln laufen am 15. Dezember in Sachsen aus.
Ministerpräsident Haseloff (CDU) sieht keine juristische Möglichkeit für einen Lockdown. "Egal ob ein bundesweiter Lockdown helfen würde – er ist rechtlich derzeit gar nicht möglich", erklärte er. "Aus Sicht der Ampel gibt es keine Pandemie mehr, die solche Maßnahmen erlaubt. Das können wir bedauern, müssen es aber hinnehmen." Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/ZB/Archivbild Reiner Haseloff (CDU) spricht.
Ein Lockdown ist seiner Meinung nach "kein realistisches Szenario". Die 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten müssten einstimmig entscheiden, ziehen aber nicht an einem Strang. Die jüngste Stellungnahme der Leopoldina könnte allerdings dazu beitragen, dass die Länder zusammenrücken. Das Virus werde aus Sicht von Haseloff "eine feste Größe", die "nicht einfach verschwinden" wird.
Damit die Verbreitung des Coronavirus eingedämmt werden kann, müssen die Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte nach Meinung von Ministerpräsident Günther weiter verschärft werden. "Ich finde, dass sich Ungeimpfte gar nicht treffen sollten in diesen Zeiten, um das Virus nicht weiterzuverbreiten", erklärte Günther. Für einen bundesweiten Lockdown sieht er momentan keine Notwendigkeit. "Wir haben das Rüstzeug, um mit unserer Lage in Schleswig-Holstein angemessen umzugehen, und das werden wir genauso weiter fortsetzen." Christian Charisius/dpa/Archivbild Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.
Sollte sich die aktuelle Lage weiter verschlechtern, schloss der Regierungschef nicht aus, durch mehr 2G- oder 2G-Plus-Regeln nachzujustieren. Günther beharrt darauf, dass jedes Bundesland nach den Möglichkeiten des Infektionsschutzgesetzes individuell handeln soll. "Natürlich muss in einem Landkreis in Bayern, wo die Inzidenz bei 1300 ist, anders reagiert werden als in einem Landkreis in Schleswig-Holstein, bei dem die Inzidenz bei 90 liegt", so Günther.
Thüringens Ministerpräsident Ramelow (Linke) spricht sich für ein einheitliches Vorgehen in Deutschland gegen das Aufflammen der Corona-Pandemie aus. "Ich will eine vorgezogene Ministerpräsidentenkonferenz nur, wenn daraus auch verbindlich eine schnelle gesetzliche Konsequenz im Bundestag entsteht", erklärte Ramelow. Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen.
Demnach riet er, "sofort einheitliche Maßnahmen analog der Bundesnotbremse vorzubereiten". Er kündigte an, dass Thüringen "jede Koordination der bundesweiten Maßnahmen aktiv unterstützen und auch umsetzen" wird. "Wir haben eine Pandemie der Ungeimpften“, sagte Ramelow.
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