Briten-Mutante nicht nur infektiöser, sondern auch tödlicher? Das sagen die Experten

Mit seiner Warnung, dass die Mutation B.1.1.7 eine erhöhte Sterblichkeitsrate habe, sorgte Großbritanniens Premierminister Boris Johnson für Aufsehen. Er bezog sich dabei auf erste Daten einer Analyse. Um daraus konkrete Schlüsse zu ziehen, ist es laut Wissenschaftlern jedoch noch zu früh.

Eine Infektion mit der Mutation B.1.1.7 soll häufiger tödlich enden als mit dem „gewöhnlichen“ Coronavirus. Mit dieser Aussage schockierte Boris Johnson am Freitag Abend auf einer Londoner Pressekonferenz. Es gebe „einige Hinweise“ auf eine erhöhte Sterblichkeit, die Mutation sei nicht nur ansteckender, sondern zudem um 30 Prozent tödlicher.

Damit bezog sich Großbritanniens Premier auf eine vorläufige Analyse eines britischen Experten-Gremiums. Die Wissenschaftler von Nervtag (The New and Emerging Respiratory Virus Threats Advisory Group) hatten in einer ersten Auswertung ermittelt, dass Patienten, welche an der Mutation B1.1.7 erkrankt waren, häufiger starben.

Kurz nach Johnsons Statement äußerten sich jedoch bereits erste Experten und schränkten dessen Vorstoß ein.

Nur kleine Anzahl von Fällen

Es sei „nicht vollständig klar“, dass die Mutante häufiger tödlich sei, sagte etwa die medizinische Direktorin der Gesundheitsbehörde Public Health England, Yvonne Doyle, am Samstag dem Sender „BBC Radio 4“. „Es ist zu früh, das zu sagen.“ Es gebe zwar Hinweise. Aber: „Es handelt sich nur um eine kleine Zahl von Fällen, und es ist viel zu früh, um zu sagen, was tatsächlich herauskommen wird“, so Doyle.

Auch Mike Tildesley, Mitglied des Expertengremiums Sage, sagte der „BBC“, es sei zu früh für klare Aussagen. „Ich würde gerne noch ein oder zwei Wochen warten und ein bisschen analysieren, bevor wir wirklich starke Schlussfolgerungen ziehen.“

Er sei sehr überrascht gewesen, dass Johnson die Information auf einer Pressekonferenz verkündet habe. „Ich mache mir Sorgen, dass wir Dinge voreilig melden, wenn die Daten noch nicht wirklich besonders aussagekräftig sind“, sagte Tildesley.

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Die Daten, auf welche sich das Gremium stützt, stammen aus separaten Studien verschiedener Universitäten. Jede zeige unterschiedliche Ergebnisse, die höchste Schätzung habe laut David Strain von der Medical School der Universität Exeter sogar 91 Prozent betragen. Allerdings habe es in diesen Regionen auch nur eine sehr geringe Prävalenz gegeben, also nur sehr wenige Infizierte. Diese Daten könnten das Gesamtergebnis also verfälschen.

Anstatt 10 könnten 13 von 1000 Menschen sterben

Beobachtungen anderer Regionen hätten hingegen „überhaupt keinen Unterschied“ bei der Sterblichkeit der verschiedenen Virus-Varianten gezeigt. Insgesamt hatten die Wissenschaftler so einen Mittelwert von 30 Prozent ermittelt.

„Nach diesen Zahlen sterben beispielsweise 13 von 1000 Männern im Alter von 60 Jahren mit der neuen Variante, im Vergleich zu zehn von 1000 mit der alten Variante“, ordnet Strain die Daten ein. Im Krankenhaus sei jedoch die prozentuale Zahl der Todesfälle gleich geblieben. Das Risiko, im Krankenhaus mit einer Infektion zu sterben, sei also bei beiden Varianten gleich. Stattdessen müssten mit der neuen Variante 30 Prozent mehr Patienten im Krankenhaus behandelt werden.

„Nehmen wir an, die Sterblichkeit im Krankenhaus liegt bei beiden Varianten bei zehn Prozent. Dies bedeutet, dass 130 Personen mit der neuen Variante ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen, im Gegensatz zu 100 Personen mit dem ursprünglichen Stamm.“

Dies könnte erklären, warum Krankenhäuser in Großbritannien jetzt 79 Prozent mehr Patienten hätten als auf dem Höhepunkt der ersten Welle.

Strain betont jedoch, dass er sich – genau wie Premierminister Johnson – bei seinen Beispielrechnungen nur auf vorläufige Daten beziehe. „Wir benötigen viel mehr Daten, bevor wir zu viele Schlussfolgerungen ziehen.“ Etwa könnten in Regionen mit einer sehr geringen Prävalenz bereits ein oder zwei Fälle einen großen Einfluss auf die Prozentsätze haben. Damit seien die Rechenergebnisse noch anfällig für statistische Fehler.

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