Taylor Nichols ist jüdischer Mediziner im US-Bundesstaat Kalifornien. Auf Twitter erzählt er von einer prägenden Begegnung mit einem Corona-Patienten: Ein Mann mit NS-Tätowierungen flehte ihn an, sein Leben zu retten. Erstmals habe Nichols sich im „Zwiespalt“ befunden.
Ein jüdischer Krankenhausarzt in Kalifornien hat mit seiner emotionalen Schilderung für Aufsehen gesorgt, wie er einen mit NS-Symbolen tätowierten Corona-Patienten behandelte. "Das Hakenkreuz prangte auf seiner Brust", schrieb Taylor Nichols auf Twitter. "SS-Tattoos und andere Insignien, die zuvor vom Hemd verdeckt waren, waren jetzt für alle im Raum zu sehen."
Mann mit SS-Tattoos flehte jüdischen Arzt an: "Lassen Sie mich nicht sterben"
"Wir haben es alle gesehen", berichtete Nichols weiter, der zusammen mit einer afroamerikanischen Krankenschwester und einem asiatisch-stämmigen Atemwegsspezialisten eine Intubation des Patienten vorbereitete. "Die Symbole des Hasses auf seinem Körper verkündeten offen und stolz seine Ansichten. Wir wussten alle, was er von uns denkt. Welchen Wert er unseren Leben beimisst."
Der in einem Krankenhaus nahe der kalifornischen Hauptstadt Sacramento arbeitende Nichols, der seine Tweets am Montag veröffentlichte und in der Folge von mehreren US-Medien interviewt wurde, schilderte auch seine zwiespältigen Gefühle bei der Behandlung des Mannes. "Ich sehe das SS-Tattoo und überlege, was er darüber denken könnte, dass er von einem jüdischen Arzt behandelt wird, oder wie er sich um mich kümmern würde, wenn die Rollen vertauscht wären."
Arzt habe zunächst "kein Mitleid" gegenüber Patienten verspürt
"Lassen Sie mich nicht sterben, Doktor", habe der ältere und von Drogenkonsum gezeichnete Mann ihn angefleht, schreibt Nichols. "Ich habe ihm versichert, dass wir alle hart arbeiten würden, um uns um ihn zu kümmern und ihn so gut wie möglich am Leben zu erhalten." Er habe aber zum ersten Mal gemerkt, dass er "gezögert" und "Zwiespalt" empfunden habe, berichtet der Arzt. "Die Pandemie hat mich erschöpft."
Der Zeitung "San Francisco Chronicle" sagte Nichols später, als er die Nazi-Symbole auf dem Körper des Patienten gesehen habe, habe er zunächst "kein Mitleid" empfunden. Ob der Mann, der nach offenbar langem Drogenkonsum kaum mehr Zähne hatte, seine Corona-Infektion überlebte, weiß der Arzt nicht.
Corona-Lage in den USA spitzt sich weiter zu
Die USA verzeichnen derzeit einen dramatischen Anstieg der Corona-Infektionen. Zuletzt wurden binnen 24 Stunden rund 195.000 Neuinfektionen und mehr als 2700 Todesfälle bestätigt. Erstmals seit Beginn der Pandemie befinden sich mehr als 100.000 Corona-Patienten in US-Krankenhäusern.
Nach Angaben der John-Hopkins-Universität wurden inzwischen mehr als 13,9 Millionen Ansteckungen bestätigt, mehr als 273.000 Menschen starben an den Folgen einer Infektion. Das sind die mit Abstand höchsten Zahlen weltweit.
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