COPD erstmals bei Mäusen geheilt
In Deutschland leiden rund acht bis zwölf Prozent der Bevölkerung an der chronischen Lungenkrankheit COPD (chronic obstructive pulmonary disease). Zusammen mit Herzinfarkten und Schlaganfällen zählt COPD zu den drei häufigsten Ursachen für einen vorzeitigen Tod. Eine deutsche Forschungsgruppe stellte nun erstmals einen heilenden Therapieansatz gegen die bislang unheilbare Krankheit vor.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Helmholtz Zentrums München und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) ist es erstmals gelungen, COPD bei Mäusen zu heilen. Die Tiere erkrankten an COPD, nachdem sie sechs Monaten lang durchgehend Zigarettenrauch einatmeten. Mithilfe des neuen Therapieansatzes konnten die Mäuse von der chronischen Krankheit geheilt werden. Die Behandlung soll nun an Menschen getestet werden. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature“ publiziert.
Volkskrankheit COPD
Mehr als 250 Millionen Menschen leiden weltweit an COPD. Die chronisch-entzündliche Lungenkrankheit wird hauptsächlich durch Zigarettenrauch verursacht, aber auch Luftverschmutzung kann COPD auslösen. Trotz hoher Prävalenz und intensiver Forschung ist es bislang nicht gelungen, COPD bei Menschen zu heilen. Die Krankheit führt oftmals zu einer Lungenfibrose und zum Absterben von Lungenzellen. Betroffene haben deshalb schwere Atembeschwerden wie Husten mit Auswurf (Raucherhusten), Kurzatmigkeit oder Atemnot. Im weiteren Verlauf kann es zu Muskelschwund kommen. In schweren Fällen sind Betroffene auf eine Lungentransplantation angewiesen.
Lunge kann Schäden nicht selbst heilen
Da es keine Heilung gibt, konzentrieren sich derzeitige Behandlungsmethoden darauf, die Symptome zu lindern. „Eines der größten Probleme bei COPD ist, dass die Lunge sich nicht selbst regenerieren kann“, berichtet Studienleiter Dr. Ali Önder Yildirim vom Institut für Lungenbiologie am Helmholtz Zentrum München. Daher müsse eine Behandlung, die die Krankheit tatsächlich ausheilen kann, das beschädigte Lungengewebe wiederherstellen und den Zelltod von Lungenepithelzellen unterbinden.
Leber-Studie lieferte den entscheidenden Hinweis
Bereits im Jahr 2009 fanden DKFZ-Forschende um Professor Dr. Mathias Heikenwälder heraus, dass chronische Entzündungen und Fibrose in der Leber verhindert werden können, indem ein spezieller Signalweg blockiert wird. Denn der sogenannte Lymphotoxin-Beta-Rezeptor-Signalweg ist zum einen für die Aktivierung und Organisation von Immunzellen aber zum anderen auch für chronische Leberentzündungen und Fibrose verantwortlich. „Wir nahmen deshalb an, dass das Blockieren des Lymphotoxin-Beta-Rezeptors auch in den regenerativen Prozessen anderer Organe eine Rolle spielen könnte“, erklärt Heikenwälder.
Was Leber- und Lungenerkrankungen gemeinsam haben
Tatsächlich fanden die Forschenden viele Parallelen zwischen der Entstehung von Krankheiten in der Leber und in der Lunge. So bilden bei COPD Immunzellen neu organisierte Strukturen aus, sogenannte tertiäre Follikel. Von denen ist bekannt, dass sie für das Fortschreiten der Krankheit relevant sind. Die Follikel bilden sich aber nur dann aus, wenn der Lymphotoxin-Beta-Rezeptor in der Lunge aktiviert ist – der gleiche Rezeptor, den Heikenwälder bereits in seiner Leber-Studie identifiziert hat. „Unser Ziel war es, herauszufinden, welche Funktion dieser Rezeptor und seine Signalwege bei der COPD einnehmen und ob wir sie für therapeutische Zwecke nutzen können“, kommentiert Yildirim.
Die Forschenden blockierten daher die Signalwege des Lymphotoxin-Beta-Rezeptors in den Lungen von an COPD erkrankten Mäusen, die bereits typische Symptome entwickelt hatten, darunter Immunzellfollikel, Fibrose und Zelltod von Lungenepithelzellen. Die Blockierung der Signalwege in den Lungen der Mäuse verhinderte die Bildung der Immunzellfollikel, die die Krankheit fortschreiten lassen. Dies hatte zur Folge, dass keine weiteren Lungenepithelzellen abstarben.
Große Überraschung: Lunge regenerierte sich
Zusätzlich zu dem Effekt machten die Forschenden eine überraschende Entdeckung. Die Signalblockade regte das Lungengewebe zur selbstständigen Regeneration an. „Obwohl die Mäuse chronischem Zigarettenrauch ausgesetzt waren, konnten wir eine vollständige Wiederherstellung des Lungengewebes beobachten“, schildert Dr. Thomas M. Conlon aus dem Studienteam. Mit der Heilung der Lunge ging auch eine Verbesserung der Folgebeschwerden wie Muskelschwund einher.
Das Team fand heraus, dass die Regeneration der Lunge durch sogenannte Wnt-Signale in dem geschädigten Lungenepithelzellen angeregt wird. Diese Signale wurden aktiviert, sobald der Lymphotoxin-Beta-Rezeptor blockiert wurde. „Wnt-Signalwege sind für die Lungenentwicklung essentiell. Bei COPD sind sie abgeschaltet, weshalb sich die Lunge nicht selbst reparieren und regenerieren kann“, erklärt Heikenwälder. In früheren Experimenten wurde bereits nachgewiesen, dass die Reaktivierung der Wnt-Signalwege in Mäusen zur Reparatur der Lunge führt.
Neuer Therapieansatz bei COPD
„Wir sehen in unserer Studie einen neuen Therapieansatz. Unsere Idee ist es einen Lymphotoxin-Beta-Rezeptor-Blocker zu entwickeln, um den Zelltod von Lungenepithelzellen und Entzündungen zu reduzieren. Dabei werden dann gleichzeitig Wnt-Signale freigesetzt, die die Regeneration von Lungengewebe anregen könnte“, fasst Yildirim den Plan der Forschenden zusammen. In ersten präklinischen Experimenten wies die Arbeitsgruppe bereits nach, dass sich die Signale des Lymphotoxin-Beta-Rezeptors in menschlichen Lungengewebeproben identisch zu den Signalwegen in der Maus verhalten. Die Erkenntnisse stellen insgesamt einen vielversprechenden Ansatz zur ersten heilenden Behandlung von COPD dar. (vb)
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