Mehr als eine Million Infektionen pro Tag

Pro Tag stecken sich weltweit mehr als eine Million Menschen mit sexuell übertragbaren Krankheiten an, berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Demnach gab es in der Gruppe der 15- bis 49-Jährigen im Jahr 2016 rund 376 Millionen neue Infektionen mit Trichomonaden, Chlamydien, Gonokokken oder Syphilis. Oft infiziere sich ein Mensch mit mehreren Erregern gleichzeitig oder mehrfach im Jahr, schreibt die WHO.

Dem Bericht zufolge lag die Zahl der Infizierten 2016 gut fünf Prozent höher als bei den letzten Schätzungen 2012. Die Zahlen beziehen sich ausschließlich auf Trichomonaden, Chlamydien, Gonokokken und Syphilis. Zusätzlich erkranken nach Angaben der WHO Hunderte Millionen Menschen jährlich durch Herpes- oder Humane Papillomviren (HPV), die ebenfalls beim Sex übertragen werden. Auch Infektionen mit HIV wurden bei den Schätzungen nicht mit eingerechnet.

„Dies ist eine stille und gefährliche Epidemie“, sagte eine der Autorinnen, die Medizinerin Melanie Taylor. Jeder Vierte trage einen der vier untersuchten Erreger in sich. Zwar steckten sich jedes Jahr etwa gleich viele Frauen und Männer neu an. Weil die Bakterien bei Frauen hartnäckiger seien, seien diese jedoch deutlich stärker betroffen als Männer.

Die vier Krankheiten im Detail

Mit Abstand am häufigsten sind dem Bericht zufolge Ansteckungen mit Trichomonaden. Sie machen mehr als 40 Prozent der Fälle aus und summierten sich auf 156 Millionen Infektionen pro Jahr. Bei der Erkrankung führen einzellige Parasiten zu einer Entzündung der Geschlechtsorgane und Harnwege. Viele Betroffene – vor allem Männer – haben keine Beschwerden und übertragen die Krankheit auf ihre Partner, ohne es zu wissen.

In Deutschland existiert keine Meldepflicht. Bei Untersuchungen in Mittel- und Nordeuropa waren mit 0,3 bis 1,5 Prozent der Frauen vergleichsweise wenige Menschen betroffen. Weltweit leben den WHO-Schätzungen zufolge 5,3 Prozent der Frauen und 0,6 Prozent der Männer mit einer Trichomonaden-Infektion. In Afrika sind 11,7 Prozent der Frauen infiziert.

Am zweithäufigsten sind Erkrankungen durch Chlamydien, bei ihnen zählte die WHO 127,2 Millionen Infektionen. Auch hier treten Beschwerden wie Ausfluss oder Brennen beim Wasserlassen oft nicht oder erst spät auf, sodass sich die Erreger unbemerkt verbreiten können. Unbehandelt besteht das Risiko, dass Chlamydien Entzündungen auslösen, die über eine längere Zeit sowohl bei Männern als auch bei Frauen zur Unfruchtbarkeit führen können.

In der von der WHO definierten Europa-Region – die bis Tadschikistan an der chinesischen Grenze reicht – sind Chlamydien von den vier untersuchten Krankheiten am weitesten verbreitet: bei 3,2 Prozent der Frauen und 2,2 Prozent der Männer. Weltweit sind 3,8 Prozent der Frauen und 2,7 Prozent der Männer betroffen.

Bei Gonokokken – den Erregern von Gonorrhö oder umgangssprachlich Tripper – gibt es weltweit jedes Jahr 86,9 Millionen Infektionen. Die Erreger befallen meist die Schleimhäute der Harnwege und Geschlechtsorgane, aber auch Augenbindehaut und Rachen. Auch wenn die Krankheit im Normalfall nicht tödlich verläuft, kann sie mitunter Komplikationen wie Blutvergiftungen und Unfruchtbarkeit verursachen.

Auch bei Tripper entwickelt nicht jeder, der sich ansteckt, automatisch Beschwerden. Bei Männern macht sich die Infektion etwa bei neun von zehn Fällen bemerkbar, bei Frauen sogar nur bei der Hälfte. Männer leiden in der Regel anfangs unter einem leichten bis starken Ausfluss, der von Schmerzen beim Wasserlassen begleitet werden kann. Bei Frauen kommt es anfangs häufig zu einer Gebärmutterhalsentzündung, seltener auch zu Harnwegsentzündungen mit Schmerzen beim Toilettengang.

Syphilis: Zweithäufigste Todesursache für Babys

Bei Syphilis zählten die Forscher weltweit 6,3 Millionen Fälle. Auch hier dringen Erreger über die Schleimhaut oder Hautrisse in den Körper ein. Bei Betroffenen kann sich ein Geschwür bilden, zu den weiteren Folgen zählen Hautausschläge und Fieber. Wird die Krankheit nicht behandelt, verläuft sie in drei Stadien. Im letzten, das ohne Behandlung mehrere Jahre nach der Infektion eintreten kann, schädigen die Erreger im schlimmsten Fall Gefäße und innere Organe.

Allein 2016 seien rund 200.000 Babys kurz vor oder kurz nach der Geburt gestorben, weil ihre Mütter mit Syphilis infiziert waren, heißt es in dem Bericht. Damit sei Syphilis nach Malaria die zweithäufigste Todesursache für Babys, sagte WHO-Autorin Taylor.

Unter Gonorrhö und Syphilis leiden der WHO zufolge weniger als ein Prozent der Weltbevölkerung. In Deutschland steigt seit Jahren die Zahl der Syphilis-Fälle, betroffen sind vor allem Männer, die Sex mit Männern haben. Zu Chlamydien und Gonorrhö fehlen exakte Zahlen aus Deutschland.

Eigentlich sind alle vier Erkrankungen heilbar. In manchen Ländern fehlt es jedoch an Benzathin-Penicillin, um Syphilis zu behandeln. Zudem reagieren immer mehr Gonokokken (Tripper-Erreger) nicht mehr auf gängige Antibiotika. Der Zugang zu Tests müsse verbessert werden, fordert die WHO. Auch müsse besser über die Krankheiten aufgeklärt werden, etwa über die Notwendigkeit einer konsequenten Nutzung von Kondomen beim Sex.

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