Ihre Organe sollten Leben retten – und steckten vier Menschen mit Krebs an

Eine 53-jährige Niederländerin, die an einem Schlaganfall gestorben war, hatte ihre Organe zur Entnahme freigeben. Nieren, Lunge, Herz und Leber wurden transplantiert – doch brachten sie ihren Empfängern leider keine Gesundheit, sondern übertrugen tödliche Krebszellen.

Menschen, die auf Spenderorgane angewiesen sind, haben meist kaum noch eine andere Überlebenschance als eine Transplantation. Oft müssen sie jahrelang auf eine passende Spende warten – und sind umso glücklicher, wenn sie endlich das passende Organ erhalten. Organspender retten Leben, nachdem ihr eigenes Leben durch oftmals tragische Umstände geendet hat.

Organspenderin überträgt Krebszellen an Empfänger

Dass eine Organspende aber nicht nur positive Seiten haben kann, zeigen die Fälle von fünf Menschen aus Deutschland und den Niederlanden. Sie erhielten im Jahr 2007 Organe einer 53-jährigen Niederländerin, die an einem Schlaganfall gestorben war. Obwohl die Ärzte erklären, den Körper der Spenderin vorschriftsgemäß untersucht zu haben, übersahen sie einen Tumor, der sich in der Brust der Frau befand. Das erklärten sie jetzt in einer Fallbeschreibung, die im „American Journal of Transplantology“ veröffentlicht wurde.

Der Brustkrebs der Frau wurde demnach mit ihren Organen – Nieren, Leber, Lunge, Herz – an die Empfänger weitergegeben und steckte vier von ihnen an. Die fünfte Empfängerin, die das Herz der Spenderin erhielt, starb bereits wenige Monate nach der Transplantation an Folgekomplikationen des Eingriffs – ihr Körper stieß das fremde Organ ab.

Laut einer repräsentativen Umfrage sind 81 Prozent der Befragten grundsätzlich bereit, ihre Organe nach dem Tod zu spenden, um anderen das Leben zu retten. Allerdings trägt nur rund ein Drittel der Deutschen tatsächlich einen Organspendeausweis bei sich.

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Einen Organspendeausweis können Sie ebenso dazu nutzen, einer Spende explizit zu widersprechen. Ein Arzt muss diesen Willen akzeptieren. Hat sich ein Verstorbener für eine Spende entschieden, wird nach dem endgültigen, nicht behebbaren Ausfall des Gehirns geprüft, ob die Organe für eine Spende in Frage kommen. Dann werden sie gegebenenfalls entnommen.

16 Monate nach der Organspende diagnostizieren Ärzte erste Tumoren

Die Tragödie begann etwa 16 Monate nach der Spende. Ärzte diagnostizierten zu diesem Zeitpunkt Tumore im Körper einer 42-jährigen Frau, die die Lunge der Spenderin erhalten hatte. Die Krebszellen breiteten sich schnell in ihrem Körper aus, so dass sie im Jahr 2009 starb. Die Ärzte fanden in ihrem Körper Brustkrebszellen, die auf die Organspenderin zurückgeführt werden konnten.

Die Mediziner alarmierten die weiteren Patienten, die Organe der Spenderin erhalten hatten. Die 62-jährige Frau, die die linke Niere erhielt, war zunächst gesund. Die Ärzte boten ihr an, die Niere zu entfernen, was sie ablehnte. Fünf Jahre später wurde auch sie krank. Die Ärzte fanden Krebszellen in ihrer Leber, Niere, den Knochen und in weiteren Teilen ihres Körpers. Sie konnten auch hier die Zellen des unerkannten Brustkrebses der Spenderin für den Krebsbefall verantwortlich machen. Die Patientin verstarb innerhalb eines Jahres.

Die 59-jährige Frau, die mit der Leber der Spenderin lebte, ereilte ein ähnliches Schicksal. Ihr Tumor wurde vier Jahre nach der Transplantation entdeckt. Sie schaffte es drei Jahre lang, gegen ihn anzukämpfen, dann starb auch sie.

Medikamente unterdrücken das Immunsystem

Warum sich die Krebszellen bei allen Empfängern ausbreiten konnten, ist den Ärzten noch unklar. Sie vermuten jedoch, dass die Medikamente, die Patienten nach einer Organspende einnehmen müssen, etwas damit zu tun haben könnten. Sie unterdrücken das Immunsystem, damit der Körper sich an die neuen Organe gewöhnen kann.

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Weltweit erster Fall eines übertragenen Brustkrebses

Weltweit ist das der erste beschriebene Fall, bei dem ein Brustkrebs bei einer Transplantation übertragen wurde. Josef Briegel, Transplantationsbeauftragter des Münchner Universitätsklinikums Großhadern, erklärt: „An sich ist die Problematik, dass Spenderorgane auch Krebszellen übertragen können, nichts Neues. Dass auch Brustkrebs durch eine Organspende übertragen werden kann, allerdings schon.“

Bisher seien laut Briegel Fälle von Nieren-, Lungen- oder besonders bösartigen Hirntumoren bekannt gewesen, sowie schwarzer Hautkrebs. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tumor mit einer Transplantation übertragen wird, ist jedoch verschwindend gering“, sagt der Experte.

Übertragung von Krebs bei Organspenden ist äußerst selten

Es passiere so selten, dass es kaum Statistiken, sondern nur einzelne Fallbeschreibungen dazu gäbe. Lediglich in Großbritannien analysierten Forscher einmal die Werdegänge von 30.000 Transplantationspatienten. Das Risiko, dass Tumorgewebe an die Empfänger weitergegeben werde, lag den Ergebnissen zufolge bei 0,01 Prozent.

„Heutzutage führen die Ärzte alle möglichen Untersuchungen durch, bevor sie Organe für die Spende freigeben. Dazu zählen infektiologische Untersuchungen, Herz- und Lungenanalysen genauso wie ein Ganzkörper-CT“, erklärt Briegel. Dadurch würde die Wahrscheinlichkeit, einen Tumor zu übersehen, auf ein Minimum reduziert. „Ein gewisses Restrisiko besteht aber immer“.

Für eine Organspende müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Bei dem Patienten muss durch mehrere Untersuchungen ein irreversibler Ausfall der Hirnfunktion zweifelsfrei festgestellt worden sein – unabhängig voneinander durch zwei verschiedene Ärzte.
  • Es muss eine Einwilligung des Patienten zur Organspende vorliegen, etwa in Form eines Organspendeausweises. Gibt es keine Aussage des Patienten dazu, werden die Angehörigen um eine Entscheidung im Sinne des Verstorbenen gebeten.

Gespendet werden können generell Herz, Lunge, Niere, Leber, Bauchspeicheldrüse und Teile des Darms. Dabei ist es auch möglich, bestimmte Organe von der Spende auszuschließen.

Nach Entfernen der Spenderniere wieder vollkommen gesund

Im Fall der 53-jährigen Spenderin aus den Niederlanden überlebte nur ein Empfänger. Sein Überleben sei allerdings eine besonders gute Nachricht, erklärt Briegel: Der 32-jährige Mann, der die rechte Niere der Spenderin erhielt, erkrankte 2011 an Krebs. Er ließ sich daraufhin die Spenderniere wieder entnehmen – und konnte mithilfe einer Chemotherapie erfolgreich behandelt werden. Im Jahr 2012 stellten die Ärzte den kompletten Rückgang der Krankheit fest, im April 2017 war er immer noch tumorfrei. Auch das sei eine neue Erkenntnis für die Mediziner. Der Patient hat sich inzwischen für eine neue Organspende angemeldet.

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